31-05-2023 · Einblick

Die Auswahl von Anleihen mit ESG-Kennzeichnung, die wirklich nachhaltig sind, erfordert eine gründliche Betrachtung

Das zunehmende Engagement von Anlegern für nachhaltige Entwicklung und positive Wirkungen hat dazu geführt, dass Anlagen mit Nachhaltigkeitsanspruch viel genauer unter die Lupe genommen werden. Dieser Trend hat sich besonders bemerkbar gemacht im Markt für ESG- oder GSS+-Anleihen, d. h. grüne, soziale, nachhaltige und nachhaltigkeitsbezogene Anleihen.

    Autoren/Autorinnen

  • Taeke Wiersma - Head of Research Board

    Taeke Wiersma

    Head of Research Board

„Seit ein, zwei Jahren gibt es eine klare Entwicklung hin zu einer formalisierten Beurteilung des gesamten ESG-Anleihemarkts durch die Anleger, weil das Bewusstsein für Greenwashing-Risiken zugenommen hat“, sagt Gino Beteta Vejarano, Green Bond Analyst bei Robeco.

In der Praxis veranlasst dies immer mehr Anleger – Asset-Eigner und Assetmanager – , interne Screening-Prozesse für ESG-Anleihen auszuarbeiten, um diese Greenwashing-Risiken zu mindern. Es wird auch anerkannt, dass ein solches Screening strenger sein muss als nur eine einfache Überprüfung anhand internationaler Richtlinien und Grundsätze, die für diese Anleihekategorie gelten.

Peter Kwaak, Portfoliomanager des RobecoSAM Global Green Bonds-Fonds, meint, dass diese internationalen Grundsätze für grüne und ESG-Anleihen zwar für Emittenten ein praktischer Leitfaden für die Strukturierung von ESG-Anleihen sind, Anleger aber eine tiefergehende Analyse vornehmen müssen. „Für uns als Assetmanager ist es sehr wichtig, unsere eigene Meinung zu grünen Anleihen zu haben und auf Basis unserer Grundsätze und Ideen festzustellen, ob Anleihen wirklich mit nachhaltigen Werten übereinstimmen und sich positiv auf die Umwelt oder die Gesellschaft auswirken.“

Zu diesem Zweck hat Robeco für jede Anleihekategorie mit ESG-Kennzeichnung ein fünf Schritte umfassendes Rahmenkonzept entwickelt. Mit diesem Rahmenkonzept soll sichergestellt werden, dass nur international anerkannten Standards genügende Anleihen, die nach Einschätzung von Robeco eine entsprechende Wirkung entfalten werden, für unsere Strategien in Betracht gezogen werden.

Wie es funktioniert

Das fünf Schritte umfassende Rahmenkonzept ist für die verschiedenen Kategorien von ESG-Anleihen weitgehend ähnlich.

In den ersten drei Schritten werden die Anleiheunterlagen begutachtet, um erstens festzustellen, ob eine Übereinstimmung mit den Grundsätzen oder Industriestandards in Bezug auf das als Kennzeichen angegebene ESG-Ziel besteht, zweitens zu untersuchen, wie die Emissionserlöse verwendet werden sollen oder ob die vorab festgelegten Nachhaltigkeitsziele wesentlich sind, und drittens die Wirkungsberichterstattung zu prüfen.

Die beiden letzten Schritte erfordern eine Analyse des Anleiheemittenten, um dessen Nachhaltigkeitsstrategie zu untersuchen und sein Verhalten zu beurteilen.

Grüne, soziale und nachhaltige Anleihen müssen alle fünf Schritte erfolgreich durchlaufen, um für eine Aufnahme in die Strategien von Robeco in Betracht zu kommen.

Nach Festlegung des Universums der in Betracht kommenden Anleihen mit ESG-Kennzeichnung erfolgt eine Fundamentalanalyse, die Teil des klar geregelten, wiederholbaren Anlageprozesses des Fixed Income-Teams von Robeco ist.

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Ausrichtung der Kapitalallokation auf längerfristige Ziele

Für Anleger geht es bei der Überprüfung von Anleihen mit ESG-Kennzeichnung nicht nur darum, Bedenken hinsichtlich Greenwashing auszuräumen. Es geht auch darum sicherzustellen, dass die Kapitalallokation mit den Wertvorstellungen und den längerfristigen Zielen der Asset-Eigner und Assetmanager übereinstimmt.

„Wenn wir ESG-Anleihen als einen wichtigen Mechanismus für den Einsatz von Finanzmitteln zur Bewältigung von Klima- oder Umweltproblemen betrachten, müssen wir als Anleger verantwortungsvoll handeln und sicherstellen, dass mit den ausgewählten grünen Anleihen auch tatsächlich grüne Projekte finanziert werden“, betont Beteta Vejarano. „Ferner müssen wir sicherstellen, dass wir Projekte oder grüne Anleihen meiden, die keine positive Wirkung auf die Umwelt oder die Gesellschaft entfalten. Ich halte dies für unsere Pflicht.“

Die durch eine zielgerichtete Kapitalallokation erreichte Effizienz ist vor allem in Situationen von Bedeutung, in denen ESG-Anleihen Anleger befähigen, große und scheinbar überwältigende Probleme anzugehen. „In Schwellenländern und in einem geografischen Raum wie Asien, wo anerkannt wird, dass viele Probleme in Angriff genommen werden müssen, empfiehlt es sich, einem Finanzierungsweg zu folgen, der die Verwendung der Erlöse eingrenzt. Dann steht man nicht vor dem Problem, das ganze Unternehmen oder das ganze Land in Ordnung bringen zu müssen“, sagt Thu Ha Chow, Portfoliomanagerin des Robeco Sustainable Asian Bonds-Fonds. „Anleger sind so in der Lage, Erträge, Risiko und Wirkungen isoliert zu betrachten. Vorausgesetzt, die Strukturen stimmen, können wir unsere Investments absichern.“

Der Markt für ESG-Anleihen wird zwar immer noch von grünen Anleihen beherrscht. Klar ist aber auch, dass soziale und nachhaltige Anleihen Boden gut machen, während nachhaltigkeitsbezogene Anleihen bei Anlegern erst allmählich Akzeptanz finden. „Soziale Anleihen fanden im Jahr 2020 große Aufmerksamkeit, und der Markt expandierte rasch, als Anleihen ausgegeben wurden, um die Auswirkungen der Covid-19-Krise auf Haushalte und Unternehmen abzufedern“, sagt Beteta Vejarano. Seitdem hat es eine Verschiebung dahingehend gegeben, Finanzmittel zur Unterstützung der wirtschaftlichen Erholung einzusetzen. Interessanterweise liegt diesen Finanzierungsmaßnahmen meistens ein grünes Thema zugrunde. Unternehmen und Länder wollen ihre Produktionskapazitäten „grüner machen“, und viele begeben grüne Anleihen, um dieses Ziel zu erreichen.

Anfänglich wurde die Emission sozialer Anleihen durch Fragen im Zusammenhang damit gebremst, wie soziale Wirkung zu definieren ist. „Es war schon immer relativ einfach, grüne Projekte zu definieren. Komplizierter ist es hingegen, Projekte mit sozialen Wirkungen zu definieren und zu messen“, sagt Chow. „Wir machen aber Fortschritte. Zum Beispiel habe ich gerade eine soziale Anleihe bewertet, deren Erlös für den Wohnungsbau bestimmt ist. Dabei steht die Erlösverwendung mit dem Ziel ‚Angemessener Lebensstandard und Wohlergehen‘ der EU-Sozialtaxonomie in Einklang, sodass bei dieser Anleihe von einer sozialen Wirkung auszugehen ist.“

Die tägliche Routine eines ESG-Anleiheinvestors

So wie dies auch bei der Anwendung anderer nachhaltigkeitsorientierter Methoden bei Robeco der Fall ist, verlangen das Screening und die Auswahl von ESG-Anleihen die Zusammenarbeit unterschiedlicher Bereiche und Fachgebiete.

„Jeden Morgen werfen wir einen Blick auf den Primärmarkt, d. h. auf neu am Markt platzierte Anleihen. Wenn der Spread einer Anleihe für uns interessant erscheint und es sich um eine grüne Anleihe handelt, setze ich mich mit den Analysten für ESG-Anleihen in Verbindung und bitte sie, das Papier zu analysieren“, sagt Kwaak. Nur wenn eine ESG-Anleihe die fünf Schritte des Rahmenkonzepts für das Screening erfolgreich durchläuft, darf Kwaak sich als Portfoliomanager an der neuen Anleiheemission beteiligen.

Um einen Unternehmensemittenten abschließend bewerten zu können, muss man in der Regel dessen Nachhaltigkeitsstrategie verstehen. „Und in diesen Fällen wenden wir uns normalerweise an den Researchspezialisten für nachhaltige Anlagen, der für den betreffenden Sektor zuständig ist, oder an den für die Emission zuständigen Kreditresearch-Analysten, um sicherzustellen, dass die vom Emittenten angegebene Erlösverwendung mit seiner allgemeinen Nachhaltigkeitsstrategie übereinstimmt“, erklärt Beteta Vejarano.

Er fügt hinzu, dass die Arbeit damit nicht beendet ist. Analysten lesen später veröffentlichte Wirkungsberichte durch, um sich zu vergewissern, dass der Emittent tatsächlich die in seinen Anleiheunterlagen versprochene Wirkung erzielt. „Wir behalten die Emission im Blick, nachdem das emittierende Unternehmen über die Wirkungen berichtet hat. Und natürlich könnten wir eine ESG-Anleihe ‚durchfallen‘ lassen, wenn das Unternehmen die Informationen nicht wie zugesagt veröffentlicht.“

Das Team erkennt aber auch den Wert eines konstruktiven Austauschs mit Emittenten in Fällen an, in denen die Berichterstattung und andere Vorgehensweisen als unzureichend erscheinen. „Wir haben unsere aktive Einflussnahme auf Unternehmen verstärkt, weil wir erkannt haben, dass Unzulänglichkeiten – z. B. bei der Berichterstattung über ESG-Anleihen – mitunter schlicht auf mangelndes Wissen zurückzuführen sind und es sich dabei nicht unbedingt um Greenwashing handelt“, betont Beteta Vejarano.

„Vor kurzem hatten wir Erfolg bei einer Entwicklungsbank, bei der wir Bedenken hinsichtlich der Offenlegung der Verwendung von Anleiheerlösen und deren Wirkung hatten. In mehreren Gesprächen stellten wir fest, dass die betreffenden Informationen bereits vorhanden waren, die Bank aber nicht wusste, wie sie diese offenlegen sollte. Im nächsten Wirkungsbericht wurden die Informationen dann aber auf der Grundlage unserer Empfehlungen veröffentlicht.“

Das Rahmenkonzept für die Auswahl von ESG-Anleihen schafft nicht nur Klarheit über die Eignung von Anleihen für Strategien mit ausdrücklichen Nachhaltigkeitszielen, sondern stärkt auch die traditionelle Bonitätsanalyse, indem es Anleihegläubigern mehr Informationen zur Verfügung stellt. „Es zwingt uns, sorgfältig zu überlegen, ob die Erlösverwendung nicht nur mit der Nachhaltigkeitsstrategie des Unternehmens, sondern auch mit seiner gesamten Unternehmensstrategie in Einklang steht. Alles in allem verbessert dies unser fundamentales Kreditresearch“, sagt Kwaak.

Der vorliegende Artikel ist ein Auszug aus einer längeren Publikation mit dem Titel:

„Vier Wege, auf denen Credit-Investoren zu einer nachhaltigeren Zukunft beitragen können“