14-02-2024 · Einblick

Aktualisierung unserer Grundsätze für Kernenergie macht Investitionen in bestimmte Unternehmen möglich

Robeco hat seine Grundsätze für Kernkraft aktualisiert, da die Notwendigkeit, die Emissionen auf Netto-Null zu senken immer dringlicher wird.

    Autoren/Autorinnen

  •  Philipp Kehrein, PhD - Sustainable Investing Analyst

    Philipp Kehrein, PhD

    Sustainable Investing Analyst

  • Chris Berkouwer - Lead Portfolio Manager

    Chris Berkouwer

    Lead Portfolio Manager

  • Lucian Peppelenbos - Climate & Biodiversity Strategist

    Lucian Peppelenbos

    Climate & Biodiversity Strategist

Die Aktualisierung unserer Grundsätze folgt der verstärkten staatlichen Verpflichtung von acht Ländern, geologische Tiefenlager zu entwickeln, um eine langfristige sichere Lagerung von nuklearen Abfällen sicherzustellen. Das erste Tiefenlager könnte bereits gegen Jahresende den Betrieb aufnehmen.

Kernenergie birgt aufgrund potenzieller Unfälle wie in Tschernobyl und Fukushima sowie wegen der Probleme, die mit radioaktiven Abfällen einhergehen, immer noch Risiken. Auf der anderen Seite ist sie als Brennstoffquelle emissionsfrei. Sofern die damit verbundenen Risiken eingedämmt werden können, ist Kernenergie folglich ideal, um bis 2050 die Netto-Null-Ziele zu erreichen.

SDG-Rahmenwerk

Robeco hat dementsprechend seine Anlagepolitik für Unternehmen, die in der Erzeugung von Kernenergie tätig sind, auf Grundlage seines Bewertungssystems, das dem proprietären SDG-Rahmenwerk zugrunde liegt, aktualisiert. Mit diesem System wird der Beitrag gemessen, den ein Unternehmen zu einem oder mehreren der 17 Nachhaltigkeitsziele (SDGs) leisten kann.

Dabei erhalten die Unternehmen einen Score auf einer Skala von -3 (deutlich negativ) über 0 (neutral) bis +3 (deutlich positiv). Die wichtigsten Ziele, die für die Bewertung im Bereich Kernenergie herangezogen werden, sind SDG 7 (bezahlbare und saubere Energie) und SDG 12 (nachhaltige/r Konsum und Produktion).

Im Rahmen unserer bisherigen Grundsätze konnte ein Unternehmen, das in der Produktion von Atomstrom tätig ist, keinen positiven Score erreichen. Somit kamen diese Unternehmen für die meisten auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Produkte von Robeco, darunter die maßgeschneiderten Net Zero 2050 Climate Equities- und SDG-Themenportfolios, nicht infrage.

Nach der Aktualisierung können diese Unternehmen nun einen maximalen Score von +1 erreichen, sofern das Anlageteam zur Überzeugung gelangt, dass die Voraussetzungen in Bezug auf Sicherheit und Abfallmanagement erfüllt werden können. Dies hat zur Folge, dass verschiedene Robeco-Anlagestrategien nun in Versorgungsunternehmen, die unter anderem im Bereich Kernenergie tätig sind, investieren können, die bislang nie einen Score von über 0 erreichen konnten. Wenn ein Unternehmen, das im Bereich Kernenergie tätig ist, die vorgenannten Kriterien nicht erfüllt, erhält es einen negativen Score und kommt dementsprechend weiterhin nicht für ein Investment infrage.

Unsere Methodik bezieht sich vorrangig auf das Land, in dem das Unternehmen agiert, wobei acht Länder bei der technologischen Entwicklung von geologischen Tiefenlagern so weit fortgeschritten sind, dass ein positiver Score zugewiesen wird: Frankreich, Finnland, Schweden, Kanada, China, Deutschland, Japan und Großbritannien.

Beurteilung der Sicherheit in den Ländern

„Die Entscheidung bezieht sich auf den Aspekt der Entsorgung, wo wir Kriterien anwenden werden, anhand derer wir beurteilen können, ob eine sichere Entsorgung von hochradioaktivem Atommüll in diesen Ländern gewährleistet ist“, erläutert Philipp Kehrein, SI Utilities-Analyst bei Robeco.

„Wir haben die Länder schon vorher nach den Kriterien nukleare Sicherheit, Verwendung von Kernbrennstoffen, Verarbeitung radioaktiver Abfälle und deren potenzielle Verwendung für die Herstellung von Waffen bewertet.“

„Neu ist, wie wir Länder bewerten, die öffentlich die Errichtung eines geologischen Tiefenlagers für die Endlagerung nuklearer Abfälle angekündigt haben. Diese Länder können wir jetzt als sicher einstufen.“

Finnland weit fortgeschritten

Anhand des Nuclear Security-Index der Nuclear Threat Initiative (NTI) wird das Potenzial für die Einrichtung einer solchen geologischen Lagerstätte bis zum Jahr 2050 ermittelt – also bis zu dem Jahr, in dem gemäß Pariser Abkommen Netto-Null erreicht werden soll. Bislang gibt es zwar nirgendwo eine solche Lagerstätte, doch ist Finnland mit der Errichtung eines solchen Tiefenlagers, das möglicherweise noch in diesem Jahr den Betrieb aufnehmen kann, weit fortgeschritten.

„Ein geologisches Tiefenlager erfüllt die Kriterien der EU-Taxonomie. Das hat zur Folge, dass Länder, die ernsthafte, robuste Pläne für die Eröffnung eines solchen Endlagers bis 2050 vorlegen, die Voraussetzungen der EU-Taxonomie erfüllen“, so Kehrein.

Während hier der Schwerpunkt auf der Errichtung von Lagerstätten durch die Länder liegt, werden die SDG-Scores den einzelnen Unternehmen zugewiesen. „Wenn ein Unternehmen in mehreren Ländern agiert, bewerten wir daher sämtliche Länder, in denen es tätig ist, um den SDG-Score zu ermitteln“, erklärt Kehrein.

„Zwar sind die meisten Versorgungsdienste nur in einem einzigen Land tätig, aber manche von ihnen arbeiten auch in verschiedenen Ländern. Sobald diese Unternehmen einen positiven Score erhalten, können wir eine Investition ins Auge fassen. Allerdings bedeutet das nicht, dass wir sofort investieren – zunächst führen wir sorgfältige Analysen durch.“

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Wie Sustainable Investing funktioniert

Ein „Must Have“-Investment

Das Net Zero 2050 Climate Equities-Team befasst sich bereits mit solchen Analysen, um potenziell Kernkraft-Anbieter in das Portfolio aufzunehmen, die bisher aufgrund ihrer SDG-Bewertung nicht für ein Investment infrage kamen.

„Der Ausbau von Kernenergie ist wieder auf dem Vormarsch, da sie beim Übergang auf eine CO2-arme Weltwirtschaft eine wesentliche Rolle spielen kann“, erläutert Chris Berkouwer, Portfoliomanager der Netto-Null-Strategie, die 2022 aufgelegt wurde. „Nachdem Kernkraft lange ein Schattendasein geführt hat, erlebt sie seit ein paar Jahren eine echte Renaissance.“

„Die Umstellung auf Netto-Null und die zunehmende Sorge um die Energieversorgungssicherheit haben dazu beigetragen, dass Kernenergie wieder ein Wachstumsmarkt ist. Kernenergie hat einige Nachteile, die wir durch unser strenges SDG-Rahmenwerk adressieren. Sie hat aber auch den großen Vorteil, dass sie eine stabile Grundlastversorgung mit sauberer Energie bietet.“

„Kernkraft ist auch die Energiequelle, die mit großem Abstand die höchste Leistungsdichte hat, wenn wir den räumlichen Energiebedarf betrachten. Für Investoren ist Kernenergie zudem deshalb interessant, weil der Bereich noch eher marktkonträr ist.“

„Wir sehen Kernenergie als unverzichtbaren Bestandteil unseres Werkzeugkastens für langfristige Lösungen. Daher unterstützen wir klar die politischen Änderungen, die Investitionen in diesem Bereich erst ermöglichen.“

Erweiterter Netto-Null-Fahrplan

Die Aktualisierung erfolgt im Rahmen der umfassenderen Verantwortung, die Robeco im Kampf gegen die globale Erwärmung durch seine 2021 eingeführte Net Zero-Roadmap trägt. Das Pariser Abkommen fordert die Welt auf, die Erwärmung bis zum Jahr 2100 auf 2°C über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen – idealerweise sogar auf 1,5°C, da dann die zerstörerischen Auswirkungen des Klimawandels besser beherrschbar sind. Hierfür muss die Welt bis 2050 CO2-neutral werden.

Die aktuellen statistischen Daten zeigen indessen, dass 2023 das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen war und dass die Erwärmung der Erde auf 1,5°C zusteuert oder bereits erreicht hat. Vor dem Hintergrund der zunehmend extremen Wettermuster wird es immer dringlicher, Wege zu finden, um die Emissionen zu senken, glaubt Lucian Peppelenbos, Klima- und Biodiversitätsstratege bei Robeco.

Klimanotstand verschärft sich

„Die aktualisierten Grundsätze für Kernenergie spiegeln die Ereignisse der letzten zwei Jahre wider, in denen wir feststellen mussten, dass sich die Auswirkungen des Klimawandels noch viel schneller beschleunigen, als es die Wissenschaft vorhergesagt hat“, so Peppelenbos weiter. „Der Klimanotstand verschärft sich also tagtäglich.“

„Gleichzeitig sehen wir, dass die Welt nicht auf dem Weg zu 1,5°C ist, sondern schon auf 2,4 Grad zusteuert – und das, obwohl wir erneuerbare Energien massiv ausbauen. Das derzeitige Wachstum erneuerbarer Energien reicht nicht aus, um den weiteren Anstieg der Emissionen aus fossilen Brennstoffen zu stoppen. Deshalb brauchen wir ein breiteres Instrumentarium – und auch Kernenergie.“

Klimakonferenz greift das Thema auf

„Die COP28 hat als erste von 28 Klimakonferenzen seit 1992 die Rolle von Kernenergie anerkannt und in die Resolution vom Dezember aufgenommen. In anderen Worten sind es 198 Länder, die der Kernenergie bei der Umstellung auf Netto-Null von 198 Ländern eine Bedeutung zusprechen – darunter auch Länder wie Deutschland, die Kernenergie eigentlich ablehnen.“

„Als nachhaltige Investoren kommen wir zu dem Ergebnis, dass wir daran partizipieren und in die betreffenden Unternehmen investieren sollten. Wir sollten uns in diesen Unternehmen engagieren, uns mit ihnen über die technologischen Entwicklungen und alle Risiken austauschen und uns auf verantwortungsvolle Weise daran beteiligen.“