18-04-2024 · Einblick

Die Risiken im Nahen Osten haben sich erhöht

Am 13. April startete der Iran als Vergeltung für den israelischen Angriff auf das iranische Konsulat in Syrien die „Operation Wahres Versprechen". Diese Operation war der erste direkte Angriff auf Israel von iranischem Boden aus. Dadurch erhöhen sich unserer Ansicht nach die künftigen Risiken im Nahen Osten. Der direkte Angriff deutet darauf hin, dass die Hardliner in der iranischen Regierung strategische Geduld (wie sie in einem langjährigen Stellvertreterkrieg mit Israel praktiziert wird) nicht mehr als Standardoption betrachten, auch wenn die offizielle Erklärung des Iran die Angelegenheit mit dem großangelegten Angriff vom 13. April als „abgeschlossen“ bezeichnete.

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  • Peter van der Welle - Strategist Sustainable Multi Asset Solutions

    Peter van der Welle

    Strategist Sustainable Multi Asset Solutions

Zwar forderte die Attacke mit über 300 Drohnen und Raketen dank des israelischen Luftabwehrsystems „Iron Dome“ keine Opfer. Dennoch sagte Benny Granz, Mitglied des israelischen Kriegskabinetts, sein Land werde Vergeltung üben „auf eine Art und Weise und zu einer Zeit, die angemessen ist“. Dies birgt die Gefahr einer weiteren Eskalation in der Region. Denn der Einsatz des iranischen Militärs könnte Israel dazu veranlassen, präventiv die iranischen Nuklearfähigkeiten zu beseitigen.

Steigende geopolitische Risikoprämien tragen zusätzlich zum Ende der reibungslosen Disinflation bei

Auf die erfolgreiche Vereitelung des iranischen Angriffs durch Israel und seine Verbündeten folgte zwar eine anfängliche Erleichterung an den Finanzmärkten. Allerdings hat sich die Stimmung seither wieder verschlechtert. Gründe dafür waren der zum Stillstand gekommene weltweite Rückgang der Inflationsraten und die schwindende Zuversicht der US-Notenbanker hinsichtlich der Möglichkeit, die Leitzinsen eher früher als später zu senken. Unsere Risiko-Indikatoren zeigen, dass die Volatilität (sowohl an den Aktien- als auch an den Anleihemärkten) aufgrund der Aussicht auf höhere und länger anhaltende Leitzinsen und der Unruhen im Nahen Osten stark korrigiert hat.

Die Notierungen im defensiven Bereich Basiskonsum haben begonnen, sich besser zu entwickeln als am breiten Markt. Das deutet darauf hin, dass sich die allgemeine Richtung des Aktienmarktes ändern könnte. Der Wert von Bitcoin, ein Indikator für die Marktliquidität, ist zum ersten Mal seit Februar unter seinen gleitenden 30-Tage-Durchschnitt gesunken. Steigende geopolitische Risikoprämien bei wichtigen Rohstoffen wie Öl unterstützen ebenfalls die Ansicht, dass die Zinsen aufgrund des unerwarteten rohstoffbedingten Preisauftriebs längerfristig steigen werden.

In den USA haben die Inflationsdaten aufgrund der steigenden Benzinpreise nach oben überrascht. Die erhöhte Gefahr einer wieder beschleunigten Teuerung (u. a. aufgrund geopolitischer Risiken im Jahr 2024) war neben der erwarteten zyklischen Erholung des globalen Verarbeitenden Gewerbes einer der Gründe, warum wir am 19. März eine übergewichtete Position im Bereich Rohstoffe einnahmen. Nach dem iranischen Angriff haben wir jedoch unsere Übergewichtung von Rohstoffen nicht weiter erhöht. Uns fehlt es nämlich an Klarheit, was die Art und den Zeitpunkt der künftigen Ereignisse im Nahen Osten betrifft.

Als Investor sollte man versuchen, nicht zu einem „Sessel-General“ zu werden. Niemand weiß mit Sicherheit, ob die beteiligten Parteien den Willen haben, einem selbstzerstörerischen Kreislauf der Vergeltung zu entkommen. Die Finanzmärkte können nur die Unsicherheit in Bezug auf makroökonomische Entwicklungen berücksichtigen, nicht aber die spezifische Abfolge künftiger geopolitischer Ereignisse, welche makroökonomische Schocks auslösen könnten. Daher tendieren risikoreiche Anlagen wie Aktien in der Regel erst dann zu einer Erholung, wenn die geopolitische Unsicherheit ihren Höhepunkt erreicht hat. Wann dies der Fall ist, kann nur im nachhinein beurteilt werden.

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Geänderte Sicht – Gewinnmitnahmen bei Aktien, da sich das kurzfristige Risiko/Ertrags-Verhältnis verschlechtert

In Anbetracht der genannten Entwicklungen und des Rückgangs der Risikobereitschaft an den Finanzmärkten haben wir in dieser Woche beschlossen, Gewinne aus unserer Übergewichtung japanischer Aktien (TOPIX) mitzunehmen. Gleichzeitig haben wir die Gewichtung des Portfolios im Aktienbereich in Richtung Benchmark-Neutralität verschoben. Während der Mai näher rückt, dürften sich die saisonalen Tendenzen an den Aktienmärkten bald ins Negative wenden. Unterdessen hängt es hauptsächlich von überragenden Unternehmensgewinnen im ersten Quartal ab, ob die gegenwärtige Marktrallye anhält. Mit rund 8 % der US-Unternehmen, die bereits Bericht erstattet haben, wird sich dies als Herausforderung erweisen. Denn bei einigen der „Glorreichen Sieben“, den führenden Technologieunternehmen wie Apple und Tesla, zeigen sich erste Risse bei der Gewinnentwicklung.

An den Anleihemärkten üben wir uns in Geduld, was die Anhebung der Duration unserer Anlagen im Bereich US-Staatsanleihen angeht. Es könnten noch zusätzliche Neuemissionen erforderlich werden, wenn die Steuereinnahmen in den Vereinigten Staaten enttäuschend ausfallen. Gleichzeitig könnte das derzeitige Tempo der quantitativen Straffung der Geldpolitik zusammen mit überraschend hohen Inflationsdaten in den USA noch länger anhalten. Dies stellt ein gewisses Gegengewicht zur Nachfrage nach als sicher geltenden Anlagen dar. Unserem Modell zufolge liegt die faire Bewertung 10-jähriger US-Anleihen nach dem kräftigen Anstieg des Kernindex der Verbraucherpreise im März um 3,8 % nun bei einer Rendite von 4,75 %.

Stattdessen haben wir unsere auf eine Versteilerung der Zinskurve im 5- bis 10-Jahres-Segment ausgerichtete Position verstärkt. So dürfte das Renditegefälle in diesem Abschnitt zunehmen, unabhängig davon, ob die Konjunktur robust bleibt oder es zu einer weichen Landung kommt. Wir haben unsere Short-Position bei 2-jährigen Anleihen aus dem ursprünglichen Butterfly-Trade herausgenommen. Dafür sprach, dass sich der Markt am kürzeren Ende der Zinskurve inzwischen ganz in Richtung unserer Prognose für längere Zeit höherer Renditen im Jahr 2024 bewegt hat. Natürlich werden wir die Ereignisse in den kommenden Wochen aufmerksam verfolgen.

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