Die chinesische Wirtschaft – die zweitgrößte der Welt – befindet sich in einer derartigen Krise, dass inländische Anleihen in den letzten vier Jahren Aktien übertrafen. Der Aktienmarkt erfuhr in den letzten sechs Monaten durch die Begeisterung für künstliche Intelligenz allerdings einen Aufschwung.
Jetzt sieht es so aus, als würde sich die alte Schlange häuten. Vieles hängt allerdings vom Ende der Deflation ab, in der Preise fallen und die Verbrauchernachfrage, die die Wirtschaft stützt, untergraben wird – sagt Van Rijn, Portfoliomanager bei Robeco Sustainable Multi-Asset Solutions. In Japan führte eine in den 1990er Jahren gestartete Deflation dazu, dass die Wirtschaft in eine fast dauerhafte Rezession geriet.
„Wir haben die potenzielle Japanisierung Chinas in unserem 5-Jahres-Ausblick „Expected Returns“ analysiert und sind zu dem Schluss gekommen, dass China keine ähnliche Tortur durchmachen muss wie Japan, da die Verschuldung im Immobilienbereich viel geringer ist, die Geldpolitik besser ist und Unternehmen nicht risikoscheu sind“, kommentiert Van Rijn.
Ende der Deflation?
„Die logische Schlussfolgerung sollte lauten, dass Anlagen in Aktien in diesem Land jene in Anleihen übertreffen werden. Chinesische Anleihenanleger haben in den letzten vier Jahren, genau wie in Japan in den 1990er Jahren, vom Übergang in die Deflation profitiert, so wie japanische Aktienanleger davon profitierten, als das Land die Deflation hinter sich ließ. In den letzten sechs Monaten waren chinesische Aktienanleger aber auf der Gewinnerseite. Handelt es sich also um das Ende der chinesischen Deflation?“
„Der chinesische Stahlverbrauch ist siebenmal so hoch wie jener der EU, obwohl die EU und China gemessen am BIP eine vergleichbare Größe aufweisen. China ist eine Wirtschaft mit hohem Anlagevermögen, die sich in einer Anpassungsphase befindet: Der bisherige Ansatz lautete „wenn du sie baust, werden sie kommen“. Dieser Ansatz war über Jahrzehnte erfolgreich, geriet zuletzt aber in Schwierigkeiten. Die chinesische Schlange will sich häuten und vom investitionsgestützten Wachstum zum Konsum übergehen.“
„Dies gelang nicht, da das Verbrauchervertrauen gering ist und das Ertragswachstum zurückgeht. Die Sparquote bleibt mit 44 % auf einem bemerkenswert hohen Niveau. Die zwei Hauptgründe für die hohe Sparquote sind fehlende (bzw. kein Vertrauen in die) soziale Sicherheit, und zwar langfristig, sowie eine zyklische, lang anhaltende Schwäche des Immobilienmarktes.“
Zölle gegen Wachstum
Die wirtschaftlichen Bemühungen werden durch die möglichen US-Zölle, die Trump wegen des erheblichen Ungleichgewichts im Handel verhängen will, gegen China nicht gerade unterstützt. Das US-Handelsdefizit mit dem Rest der Welt erhöhte sich im November 2024 auf 78,2 Mrd. USD, davon 25,4 Mrd. USD mit China. 1
„Die chinesische Regierung wird agil sein müssen, um ihr Wachstumsziel von 5 % zu erreichen, indem sie das Vertrauen im Inland gegenüber Trumps Drohgebärden stärkt“, bemerkt Van Rijn. „Der Rückgang der chinesischen Immobilienpreise hat sich allmählich abgeflacht, aber wir müssen abwarten, ob die chinesischen Schlangen nach dem chinesischen Neujahrsfest auf Haussuche gehen werden.“

Der Wertverlust der chinesischen Immobilienpreise im Jahresvergleich. Quelle: NBS
„China hat seit über einem Jahrzehnt keine ernsthafte Inflation mehr erlebt, da es das Geldmengenwachstum in Schach gehalten hat. China verzeichnete 2022 eine Inflation von nur 2 %, während die USA und Europa bei 8 % lagen. Die Deflation hat nun Fuß gefasst, während die Verschuldung ein Rekordhoch erreicht hat. Das ist suboptimal.“
„Wir sind der Meinung, dass diese Schlacht noch nicht gewonnen ist und dass es von zukünftigen Maßnahmen abhängt, die Verbraucher zum Kauf anregen könnten. Der Kongress der Kommunistischen Partei Chinas im März ist das nächste Forum, das weitere Klarheit in diese Diskussion bringen könnte. Aber wetten sollten Sie nicht darauf ... wir erwarten, dass sich die Schlange weiter entlang der Talsohle bewegt.“
Stärke des Yuan
Im Fokus wird 2025 die relative Stärke des Yuan sein. „Für jeden Anleger in Schwellenländern lautet die wichtigste Frage: ‚Glauben Sie, dass die Währung stabil sein wird?‘“, so Van Rijn.
„Der Yuan gilt heutzutage als eine schwache Währung, dabei stimmt das nicht. Die internationale Gemeinschaft konzentriert sich zu sehr auf den Dollar-Wechselkurs. Gegenüber dem Euro hat sich in den letzten zehn Jahren wenig geändert.“
„Seit 2021 hat der Yuan an Stärke gewonnen und liegt nun innerhalb von 5 % der schmerzhaften Stärke von 2015. Eine gewisse Abwertung könnte wirklich angebracht sein, vor allem wenn die USA weitere Zölle auferlegen sollten.“
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Der Aktienmarkt ist inzwischen breiter aufgestellt
Was bedeutet dies also für chinesische Aktien, die oft als Nischenmarkt mit hoher Volatilität angesehen werden? Die Nachricht, dass das chinesische Unternehmen DeepSeek ein KI-Modell zu einem Bruchteil der Kosten seiner US-Konkurrenz entwickelt hat, hat den A-Aktien auf dem Festland und dem angeschlossenen Markt in Hongkong neue Impulse verliehen.
„China ist jetzt ein sehr breit aufgestellter und tiefer Aktienmarkt“, bemerkt Van Rijn. „Als DeepSeek ein heißes Thema wurde, stellten Broker sofort eine Liste mit unzähligen Unternehmen zusammen, die profitieren dürften. Dies zeugt von der längerfristigen Attraktivität Chinas. Außerdem liegt das Verhältnis von Marktkapitalisierung zu BIP in China derzeit bei nur 56 % (gegenüber 230 % in den USA), was einen gewissen Hinweis auf die wertsteigernden Möglichkeiten bietet.“

Der Hang Seng Index hat ein äußerst schwaches Jahrzehnt hinter sich, mit einer vorläufigen Talsohle. Quelle: Bloomberg
US and Europe diverge on monetary policy
„Da die Deflation nicht besiegt ist, ist es logischerweise schwierig, allzu optimistisch zu sein. Einerseits besteht die Gefahr von Überkapazität und Deflation, vor allem im Industriesektor. Hier bleiben die Gewinnrevisionen negativ. Andererseits sehen wir eine starke politische Unterstützung für Aktien, und viele attraktiv bewertete Large-Cap-Unternehmen, die nicht sehr stark von der makroökonomischen Lage abhängig sind, weisen positive Korrekturen auf.“
„Dies erklärt unsere Vorliebe für Offshore-Aktien, bei denen Industrie leicht und der Konsum- und Internetsektor relativ stark gewichtet sind. Wir erwarten einen Aufschwung der chinesischen Aktien in der Talsohle, mit handelbaren Erholungen im Jahr der Schlange.“
Fußnote
1https://tradingeconomics.com/united-states/balance-of-trade