15-05-2023 · Einblick

Asien: Eine Chance wie nur einmal in 10 Jahren

Die langfristige Chance, die sich aus einem Engagement in Aktien aus dem asiatisch-pazifischen Raum ergibt, wird derzeit durch den robusten US-Dollar und geopolitische Sorgen verdeckt. Dabei bleiben die soliden makroökonomischen Vorteile der Region unberücksichtigt.

    Autoren/Autorinnen

  • Joshua Crabb - Head of Asia-Pacific Equities

    Joshua Crabb

    Head of Asia-Pacific Equities

  • Helen Keung - Client Portfolio Manager

    Helen Keung

    Client Portfolio Manager

Robuster US-Dollar untergräbt nicht die Fundamentaldaten im asiatisch-pazifischen Raum

Die ersten Monate des Jahres 2023 waren ein Fehlstart für Aktien in der Region Asien-Pazifik. So schwand der Optimismus hinsichtlich der Wiederöffnung Chinas. Gleichzeitig stützte die trotz einer Serie von Insolvenzen mittelgroßer amerikanischer Banken weiterhin restriktive US-Geldpolitik den Dollar. Infolgedessen traten die Börsen im asiatisch-pazifischen Raum auf der Stelle, zumal die Sorgen über die Aussichten für Exporte hochwertiger Güter wie Halbleiter in die sich abschwächende US-Wirtschaft zugenommen haben.

Das Fehlen kurzfristiger positiver Faktoren hat eine abwartende Haltung der Anleger zur Folge. Wir glauben aber, dass die langfristigen strukturellen Grundlagen der Volkswirtschaften im asiatisch-pazifischen Raum wichtiger sind und im Zeitverlauf die Oberhand gewinnen werden. Von daher ist der Zeitpunkt günstig, um im Vorfeld der nächsten Wachstumsära in die Region zu investieren.

Grafik 1: Enorme Bewertungsdifferenz beim Kurs/Buchwert-Verhältnis

Grafik 1: Enorme Bewertungsdifferenz beim Kurs/Buchwert-Verhältnis

Quelle: Quelle: MSCI, Bloomberg. Kurs/Buchwert-Verhältnis der Indizes MSCI Asia ex Japan und S&P 500. Betrachtungszeitraum: Dezember 2000 bis April 2023

Bewertungsdifferenz nicht gerechtfertigt

Die Bewertungsdifferenz ist trotz der schwelenden Bankenkrise in den USA nach wie vor enorm. Der S&P 500 hat sich im Vergleich zu den asiatisch-pazifischen Märkten überdurchschnittlich entwickelt. In früheren Erholungsphasen – nach der Technologieblase und nach der globalen Finanzkrise – war eine solche Bewertungsdifferenz der Vorbote einer ausgeprägten und lang anhaltenden Phase der Outperformance der asiatisch-pazifischen Märkte. Hinzu kommt, dass die Volkswirtschaften des asiatisch-pazifischen Raums nicht in dem Maß unter der hohen Inflation leiden wie Europa, die USA oder einige Schwellenländer. Dies gibt den Regierungen in der Region politischen Spielraum und unterstützt unsere Ansicht, dass sich die makroökonomischen Fundamentaldaten allmählich in den relativen Aktienbewertungen widerspiegeln werden.

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ASEAN-Länder dürften angesichts der Spannungen zwischen USA und China florieren

Die strukturellen Rahmenbedingungen für die Volkswirtschaften, die in der Association of Southeast Asian Nations (ASEAN) zusammengefasst sind, sind bereits positiv. Die gemeinsame Wirtschaftsleistung der ASEAN-Länder belief sich 2019 auf 3,2 Billionen US-Dollar. So gesehen ist die ASEAN die fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt und soll bis 2030 zur viertgrößten aufsteigen, da die Region in beschleunigtem Tempo ausländische Direktinvestitionen anzieht. Mit einer Gesamtbevölkerung von etwa 700 Millionen Menschen, von denen 61 % unter 35 Jahre alt sind1 – sowie einem steigenden Bildungsniveau und der massenhaften Nutzung digitaler Medien – unterscheidet sich das Bild stark von Nordostasien und Europa.

Die ASEAN-Volkswirtschaften werden neben Indien die Hauptnutznießer des „China-Offshoring“-Trends sein. Dabei versuchen ausländische Unternehmen, für mehr Redundanz und Widerstandsfähigkeit in ihren Lieferketten zu sorgen, indem sie ihre Produktion an anderen Orten ansiedeln. Einige chinesische Unternehmen folgen diesem Beispiel2. Dies dürfte dazu führen, dass sich die Unternehmen im ASEAN-Verbund weiter als wichtige Bestandteile der globalen Lieferkette für Technologie und Industriegüter etablieren. Angesichts der anhaltenden Spannungen zwischen den beiden Weltmächten werden die ASEAN-Volkswirtschaften unserer Ansicht nach wahrscheinlich auf beide Seiten setzen und zumindest aus handelspolitischer Sicht eine neutrale Haltung einzunehmen versuchen. Zudem finden sich im asiatischen Konsumsegment hochinteressante langfristige Profiteure, denen eine steigende Bedeutung des Konsums in der Region zugutekommen sollte. Im Rahmen unserer Aktienstrategie für den asiatisch-pazifischen Raum setzen wir auf beide Trends.

ASEAN-Aktien haben mittelfristig hervorragende Aussichten bei guten Bewertungen

Bewertungen in Indien sind gesunken

Zu Beginn des Jahres 2023 waren wir der Meinung, dass die Bewertungen in Indien überzogen sind, und wir waren dort im Vergleich zum Index stark untergewichtet. Als der Aktienkurs der Adani-Unternehmensgruppe korrigierte, nachdem sie ins Visier von Leerverkäufern geraten war, wurde in der Folge der breitere Markt nach unten gezogen. Dadurch sind einige langfristige Value-Kandidaten attraktiver geworden. Wir legen den Fokus nicht nur auf den China-Offshoring-Trend, sondern interessieren uns auch für Titel, mit denen wir auf das Thema Konsum setzen können. Wir glauben, dass die vermehrte Nutzung digitaler Anwendung durch die Generation Z und jüngere Menschen einen strukturellen Wandel darstellt, der es auch bisher von der Konsumwirtschaft ausgeschlossenen Menschen in ländlichen Gebieten ermöglichen wird, in Zukunft wirtschaftlich aktiver zu werden. Die zunehmende Ausbreitung des Internets bedeutet, dass im Jahr 2030 fast 77 % der indischen Bevölkerung versiert im Hinblick auf Internet und Technologie sein werden. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, die bestehenden demografischen Vorteile Indiens noch stärker zu nutzen.

Dennoch bleiben wir in Indien untergewichtet und werden dort nur die aus unserer Sicht besten Ideen auswählen – und nicht lediglich auf das Wachstum in Indien ausgerichtete Titel oder die traditionellen Large-Cap-Technologiewerte, die hauptsächlich für die entwickelten Länder produzieren.

Nordostasien

Die reifen Volkswirtschaften Nordostasiens haben zwar nicht die gleichen demografischen Vorteile wie die jüngeren Länder im Süden. Dennoch bieten auch sie sehr attraktive Investitionsmöglichkeiten.

Selbst bei einer „Entkopplung“ zwischen den USA und China können andere Länder von einer Diversifizierung der Lieferkette profitieren. Südkoreas Position als ein zentraler Anbieter in der Halbleiter- und Displaytechnologie wurde durch andere Branchen gestärkt, die der Energiewende dienen sollen. Dazu zählt eine sehr gute Position im Bereich Batterien für Elektrofahrzeuge, die von der Entscheidung der USA profitieren, chinesische Lieferanten von Steuererleichterungen im Rahmen des Inflation Reduction Act auszuschließen. Nach einem schwachen Jahr 2022, das durch die Trendwende im Halbleiter- und Technologiezyklus bedingt war, haben südkoreanische Aktien 2023 stark zugelegt. Darin schlagen sich die robuste Inlandskonjunktur und die Erwartung nieder, dass Südkorea möglicherweise von MSCI als entwickelte Volkswirtschaft neu klassifiziert wird. Dies hätte aufgrund entsprechender Umschichtungen von Anlegern Kapitalzuflüsse zur Folge3. Für uns ist Südkorea ein Land, in dem sich viele Unternehmen mit Value-Charakteristik und Aussicht auf eine Ertragswende finden.

Wie die Börse in Südkorea litt auch der taiwanesische Markt unter dem Ausverkauf von Technologieaktien im Jahr 2022. Wir glauben aber, dass der Halbleiterzyklus nun die Talsohle erreicht haben könnte, was langfristig orientierten Anlegern gute Einstiegsmöglichkeiten bietet. Natürlich gibt es ein geopolitisches Risiko im Fall von Taiwan. Wir halten jedoch eine überraschende chinesische Invasion für sehr unwahrscheinlich.

Im Gegensatz zu ihren Pendants in den USA werden viele südkoreanische und taiwanesische Unternehmen zu Bewertungen in der Nähe ihrer historischen Tiefstände gehandelt, die nur eine geringfügige Verbesserung der Konjunkturaussichten unterstellen.