Anhaltende sozioökonomische Veränderungen haben sich im Zuge des allmählichen Wiederhochfahrens der Volkswirtschaften möglicherweise verlangsamt, bestehen aber großenteils fort; denn neue Gewohnheiten bleiben auch nach der schrittweisen Erholung bestehen. Für das Jahr 2022 erwarten wir ein weiterhin rasches Voranschreiten dieser Trends, auch während sich die Volkswirtschaften weiter von dem anfänglichen, durch Covid-19 ausgelösten Schock erholen und sich die Lage allmählich normalisiert. Zu Beginn des neuen Jahres stellen wir zwei vielversprechende Bereiche vor, auf die sich Anleger konzentrieren sollten: die Abonnementwirtschaft und das Metaverse.
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Auf Abonnements beruhende Geschäftsmodelle sind nicht neu – es gibt sie schon seit vielen Jahrzehnten. Allerdings haben sie in den letzten Jahren einen enormen Boom erlebt.
Die Abonnementwirtschaft entwickelt sich prächtig
Der Begriff Abonnementwirtschaft wird für alle erdenklichen Produkte und Dienstleistungen verwendet, die im Gegensatz zum traditionellen Gelegenheitskauf im Rahmen eines Abonnements angeboten werden. Dies bedeutet in vielen Fällen, dass man nicht mehr Eigentümer, sondern Nutzer der betreffenden Produkte und Dienstleistungen ist. Ein gutes Beispiel sind die beliebten Musik- und Video-Streaming-Dienste. Gegenstand der Abonnementwirtschaft kann aber praktisch alles sein: von einer wöchentlich gelieferten Kiste mit frischem Gemüse bis hin zu Autos oder Jeans, die regelmäßig ersetzt und irgendwann recycelt werden.
Letztlich bietet die Abonnementwirtschaft Unternehmen die Möglichkeit, stärkere und langlebigere Beziehungen zu ihren Kunden aufzubauen. Dies setzt voraus, dass sie den Kunden in den Mittelpunkt stellen und ihn auf unterschiedliche Weise an ihre Produkte und Dienstleistungen binden, z. B. durch ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis, mehr Flexibilität und Personalisierung oder ein besseres Kundenerlebnis im Vergleich zu klassischen Kaufangeboten, bei denen man Eigentümer der gekauften Waren wird.
Auf Abonnements beruhende Geschäftsmodelle sind nicht neu – es gibt sie schon seit vielen Jahrzehnten. Allerdings haben sie in den letzten Jahren einen enormen Boom erlebt. Während sie noch bis vor wenigen Jahrzehnten im Wesentlichen auf die Medienbranche beschränkt waren, haben sich solche Geschäftsmodelle allmählich ausgebreitet: zunächst in einigen Nischenbereichen wie Telekommunikation, Software und Informationstechnologie-Diensten und danach in der gesamten Wirtschaft (s. Grafik 1).
Grafik 1: Jährliche Ausgaben für Abonnements in Europa in Mrd. Euro
Quelle: ING, Analyse von Bernstein; August 2021.
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Unternehmen mit Abonnement-Geschäftsmodellen wuchsen in den Jahren 2012-2020 fast sechsmal schneller als die im S&P 500 Index enthaltenen Unternehmen.
Anlegern bieten Unternehmen mit Abonnement-Geschäftsmodellen gegenüber solchen mit eher traditionellen Geschäftsmodellen häufig weniger Unsicherheit hinsichtlich der langfristigen Umsatz- und Gewinnentwicklung. Außerdem generieren sie oft einen kontinuierlichen Strom von Daten, die genutzt werden können, um die Service-Qualität zu verbessern, die Kundenzufriedenheit zu erhöhen und ergänzende Geschäftsmöglichkeiten wahrzunehmen. Dies führt im Allgemeinen zu im Zeitverlauf relativ stabilem Wachstum.
Unternehmen mit Abonnement-Geschäftsmodellen sind vielleicht nicht für alle Anleger interessant, weil die Kosten der Kundengewinnung (wie Vertrieb, Marketing oder Softwareentwicklung) im Voraus anfallen, Umsatzerlöse aber erst nach und nach erzielt werden. Das Ergebnis ist eine Inkongruenz zwischen Umsatzerlösen und Aufwendungen und eine Unterschätzung der tatsächlichen Finanzlage des betreffenden Unternehmens. Als langfristig orientierte Investoren, die in der Lage sind, über die kurzfristige Cashflow-Generierung hinauszublicken, sehen wir darin jedoch eher eine Chance als eine Herausforderung.
Laut Zuora, einer Plattform für das Management von Abonnements, wuchsen Unternehmen mit Abonnement-Geschäftsmodellen in den Jahren 2012-2020 fast sechsmal schneller als die im S&P 500 Index enthaltenen Unternehmen.1 Die Covid-19-Pandemie hat diesen Abstand weiter vergrößert. Das Wachstum vieler Unternehmen mit Abonnement-Geschäftsmodellen hat sich stark beschleunigt, weil Verbraucher von festen zu variablen Kosten übergegangen sind und sich Unternehmen auf ihr Kerngeschäft konzentriert und Randgeschäftsbereiche ausgelagert haben.
Im Jahr 2020 erhöhten sich die Umsatzerlöse der von Zuora analysierten Unternehmen mit Abonnement-Geschäftsmodellen um 11,6 %, während die der im S&P 500 Index enthaltenen Unternehmen um 1,6 % zurückgingen. Zwar haben im ersten Quartal 2020 verhängte Lockdowns und sonstige Sicherheitsvorkehrungen das Wachstum der mit Abonnements erzielten Umsatzerlöse zunächst anscheinend gebremst. Als es aber im letzten Quartal erneut Lockdowns gab, beschleunigte sich das Wachstum der mit Abonnements erzielten Umsatzerlöse, was darauf hindeutet, dass die betreffenden Unternehmen ihre Angebote rasch anpassen konnten.
Wir gehen davon aus, dass sich dieser im Wesentlichen durch die fortschreitende Digitalisierung der Wirtschaft vorangetriebene Trend in den nächsten Jahrzehnten fortsetzen wird. Jüngsten Schätzungen von UBS Wealth Management und Bernstein zufolge hat die digitale Abonnementwirtschaft zurzeit ein Marktvolumen von 650 Mrd. USD, das sich bis 2025 auf 1,5 Billionen USD erhöhen und damit mehr als verdoppeln wird.2 Daraus ergibt sich eine beeindruckende durchschnittliche Gesamtwachstumsrate von 18 %.
Heute ermöglichen neue Technologien es Unternehmen aus praktisch allen Wirtschaftszweigen, ihren Kunden Abonnementdienste anzubieten. Auf der Anbieterseite versetzen rapide sinkende Kosten der Datenspeicherung und die zunehmende Rechenleistung von Computern Unternehmen in die Lage, ihre Dienste Verbrauchern zu sehr niedrigen Kosten anzubieten. Und die Verbraucher können dank der Allgegenwärtigkeit von Online-Diensten jederzeit mit Inhalten, Diensten und auch mit anderen Mitgliedern Kontakt halten.
Ein weiterer wichtiger positiver Faktor in den kommenden Jahren ist der unvermeidliche Generationenwechsel; denn die Millennials und die Generation Z3 zeigen eher Interesse an Abonnement- und Nutzungsmodellen als ältere Bevölkerungsgruppen.4 Umfragen unter Verbrauchern zufolge spielen für jüngere Generationen das Versprechen, immer das neueste Produkt zu bekommen und somit keinen Wartungsaufwand zu haben, und Umweltaspekte bei der Kaufentscheidung oft eine größere Rolle als traditionelle, das Eigentum an Dingen betreffende Überlegungen.
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Richard Speetjens
Portfolio Manager
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In vielerlei Hinsicht kann das Metaverse als die nächste Stufe des Internets angesehen werden, auf der zunehmende Konnektivität zu einer weitergehenden Integration von digitalem und tatsächlichem Leben führen wird.
Nach und nach ist es möglich, in das Metaverse zu investieren
Das Metaverse wurde 2021 zu einem beliebten Schlagwort, als bedeutende Akteure aus dem Technologiebereich diesbezüglich wichtige Schritte ankündigten. Vor allem der Börsengang der Gaming-Plattform Roblox und die Umbenennung von Facebook in Meta Platforms waren wichtige Meilensteine. Doch abgesehen vom aktuellen Hype um dieses Konzept spiegeln sich nach unserer Meinung darin mehrere strukturelle Trends wider, die an den Schnittstellen zwischen dem Internet der Dinge, den sozialen Medien und der mobilen Computernutzung aufkommen.
Tatsächlich ist das Metaverse viel mehr als eine schicke Virtual-Reality-Brille oder eine neue Art, Online-Games zu spielen. Im weitesten Sinne erstreckt es sich auf die vielen Aspekte unseres digitalen Lebens und auf die dort stattfindenden Interaktionen.5 Dazu gehören offensichtliche Elemente wie z. B. digitale Gaming-Welten oder soziale Medien. Es gibt aber auch weniger offensichtliche Elemente wie digitale Finanzdienstleistungen, Tools und Anwendungen für die Telearbeit sowie all die täglich genutzten digitalen Dienste, auf die wir online zugreifen können.
In vielerlei Hinsicht kann das Metaverse als die nächste Stufe des Internets angesehen werden, auf der zunehmende Konnektivität zu einer weitergehenden Integration von digitalem und tatsächlichem Leben führen wird. Es ist also nichts Vordefiniertes, sondern ein sich ständig veränderndes Konzept. Deshalb kann man sich nur schwer vorzustellen, wie genau das Metaverse in zehn Jahren aussehen wird. Die Entwicklung in diesem Bereich lässt sich aber nicht aufhalten. Immer mehr Unternehmen sprechen über das Metaverse.
Dieses befindet sich zugegebenermaßen noch in einem frühen Stadium und verlangt deshalb von Investoren eine vorsichtige Herangehensweise. Allerdings rechnen wir in den nächsten Jahren in diesem Bereich mit deutlich zunehmenden Investitionen, da sich Unternehmen auf einen erhöhten Bedarf an Rechenleistung – einschließlich Hardware und Software – einstellen und Test- und Lernfunktionen für potenzielle Anwendungen für Firmen- und Privatkunden entwickeln werden.
Grafik 2: Durchschnittlicher täglicher Medienkonsum in Stunden und Minuten in ausgewählten Ländern
Quelle: eMarketer; April 2021. Hinweis: Ab 18 Jahren; einschließlich digitaler Medien (Desktop/Laptop, mobiles Nanovoice und Video-Streaming über TV-Geräte), Printmedien (Zeitungen und Zeitschriften), Rundfunk, Fernsehen und andere; einschließlich der gesamten, mit jedem Medium verbrachten Zeit, ohne Berücksichtigung von Multitasking; *ohne Hongkong.
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Daher befürworten wir einen so genannten ‚Picks-and-Shovels‘-Ansatz, um selektiv in Unternehmen zu investieren, die diese Entwicklung ermöglichen
Verbraucher auf der ganzen Welt zeigen Interesse an Diensten, die mit dem Metaverse zusammenhängende Eigenschaften besitzen. Social-Media-Plattformen zählen bereits Milliarden von Nutzern auf der ganzen Welt, die irgendwann vom Metaverse angezogen werden könnten. Weit verbreitete Plattformen wie Facebook, YouTube und WhatsApp werden von Milliarden von Menschen in allen Teilen der Welt genutzt. Und viele dieser Nutzer verbringen bereits jeden Tag einen beträchtlichen Teil ihrer Zeit mit digitalen Medien, vor allem über ihre Mobilfunkgeräte (s. Grafik 2).
Aktuellen Schätzungen von Analysten von Bernstein zufolge beträgt das gesamte jährliche Umsatzvolumen in den wichtigsten Märkten bereits 2 Billionen USD und wird sich weiter erhöhen, auch wenn über den zeitlichen Ablauf und das Ausmaß der Entwicklungen im Zusammenhang mit dem Metaverse weiter Unsicherheit besteht.6 Zu den offensichtlichsten Bereichen, die in den kommenden Jahren von der Entwicklung des Metaverse profitieren werden, gehören zum Beispiel die digitale Werbung, Halbleiter, Mobiltelefone und Infrastruktur-Software.
Vermutlich werden die Auswirkungen aber viel breiter gefächert sein; denn viele andere, vielleicht weniger offensichtliche Wirtschaftszweige dürften in den kommenden Jahren ebenfalls von der Entwicklung des Metaverse profitieren. Dazu gehören der E-Commerce, die Medienwirtschaft, der digitale Zahlungsverkehr und sogar der Bildungsbereich – um nur einige zu nennen. In einer aktuellen Mitteilung an Kunden schätzten Analysten von7 Goldman Sachs, dass das Metaverse ein Marktvolumen erreichen könnte, das irgendwo zwischen 2,6 Billionen USD und 12,5 Billionen USD liegt.
Unserer Meinung nach sollten Investoren die vielversprechenden Aussichten für das Metaverse nicht übersehen, auch wenn sich dieses noch in einem frühen Stadium befindet und deshalb eine gewisse Vorsicht angebracht ist. Bisher gibt es zwar nur wenige direkt an der Entstehung und Entwicklung des Metaverse beteiligte Unternehmen, in die man investieren kann. Daher befürworten wir einen so genannten „Picks-and-Shovels“-Ansatz, um selektiv in Unternehmen zu investieren, die diese Entwicklung ermöglichen. Dazu gehört ein breites Spektrum von Unternehmen – von Social-Media-Plattformen bis hin zu Chipherstellern.
Fußnoten
1Zuora: „Subscription business revenue grows 437% over nearly a decade as consumer buying preferences shift from ownership to usership“; Pressemitteilung vom 3. März 2021.
2Bernstein: „Sign me up! Why consumers are increasingly subscribing rather than buying“; Mitteilung an Kunden vom 11. August 2021.
3Es gibt zwar keine offizielle Definition für „Babyboomer“, „Millennials“ oder die „Generation Z“. Das Pew Research Center beschreibt sie aber wie folgt: Babyboomer sind zwischen 1946 und 1964 Geborene. Zur Generation X gehören die Jahrgänge 1965 bis 1980, zu den Millennials die Jahrgänge 1981 bis 1996 und zur Generation Z die Jahrgänge 1997 bis 2012.
4Siehe beispielsweise: Scuncio, J.: „Millennial spending drives the growth of the subscription economy“; Zuora-Blogartikel vom 7. Mai 2019.
5Der Begriff Metaverse wurde ursprünglich von Neal Stephenson in seinem 1992 veröffentlichten Roman „Snow Crash“ geprägt und im Wesentlichen als ein computergeneriertes Universum definiert.
6Bernstein: „Bernstein enters the metaverse: A primer on what it is, the size of the prize, and why you should care“; Mitteilung an Kunden vom 7. Dezember 2021.
7Goldman Sachs: „Framing the Future of Web 3.0 - Metaverse Edition“; Mitteilung an Kunden vom 10. Dezember 2021.