Sie haben eine interessante Laufbahn absolviert. Können Sie uns über Ihren bisherigen Weg berichten?
„Ich hatte eigentlich nie klare Pläne, was meine Karriere angeht. Ich bin im Bereich Finance gelandet, da ich mich in meinem weiterführenden Studium mit stochastischer Optimierung befasst habe. Ich habe Mitte der 2000er Jahre meinen Hochschulabschluss erlangt. Damals waren Derivate in aller Munde und angesichts meiner Affinität zur Mathematik war dies ein sinnvolles und lohnendes Beschäftigungsfeld.“
„Doch nur wenige Jahre nach meinem Einstieg in diese Welt erschütterte die globale Finanzkrise das gesamte System. Ich machte mich auf die Suche und entdeckte, dass die Buy-Side des Finanzwesen sehr interessant ist und viele verschiedene Disziplinen umfasst. Anleger kaufen Wertpapiere, nicht nur weil sie günstig sind; auch verhaltensbezogene und soziale Aspekte können ihre Entscheidungen beeinflussen.“
„Obwohl das Umfeld 2009/10 nicht einfach war, schuf Google damals seinen eigenen Handelstisch zum Management seiner Vermögenswerte. Ich hatte das Glück, diese Chance nutzen zu können. Nach meinem Einstieg bei Google begann ich die Bedeutung von Daten und Algorithmen erst richtig zu verstehen. Damals stand dieser Bereich noch am Anfang und das Konzept des Nowcasting wurde von Googles Chefvolkswirt, Hal Varian, mit der Publikation eines Forschungspapiers zu dem Thema populär gemacht.“
„Nachzuvollziehen, wie man durch die Nutzung von Daten Erkenntnisse gewinnen kann, weckte mein Interesse. Um meine Neugier zu befriedigen, wechselte ich zu BlackRock, und zwar in deren Abteilung Scientific Active Equity. Für mich war das eine großartige Erfahrung, da ich mein bei Google gesammeltes Wissen nun anwenden konnte. Dazu gehörte die Nutzung nicht-konventioneller Finanzinformationen – heute als alternative Daten bezeichnet – zur Analyse der Entwicklung von Unternehmen aus einem Blickwinkel jenseits der Rechnungslegung.“
„Von alternativen Daten gelangt man ganz natürlich zu Algorithmen, maschinellem Lernen (ML), Natural Language Processing (NLP) usw., da diese zu den notwendigen Instrumenten zur Analyse unstrukturierter Daten zählen. Auf diesem Pfad bewege ich mich seit 17 Jahren. Und bislang war das gut so. Finance ist stets ein fruchtbares Gebiet, da es immer ein Phänomen gibt, welches die Marktteilnehmer perplex macht. Deshalb ist es so faszinierend und damit bin ich sehr zufrieden. Auch wenn ich einst ohne große Pläne begonnen habe, haben sich die Dinge für mich gut entwickelt.“
Was brachte Sie dazu, bei Robeco einzusteigen?
„Robeco ist auf mich mit der spannenden Herausforderung zugekommen, sein Angebot im Bereich Alternative Alpha aufzubauen und weiterzuentwickeln. Das stieß auf mein Interesse, da es sich für mich um ein Feld von großer Bedeutung handelt. Offen gesagt wusste ich anfänglich nur sehr wenig über Robeco, da ich zuvor meine gesamte berufliche Laufbahn in den USA verbracht hatte. Doch nach einigen Recherchen war ich beeindruckt von Robecos historischem Erbe, der globalen Präsenz sowie dem angesehenen Angebot in den Bereichen Quantitative und Sustainable Investing.“
„In Amerika bezieht man erhebliche Inspiration von den europäischen Konkurrenten in punkto Vordenken zum Thema Nachhaltigkeit. Und da dieses mir am Herzen liegt, sprach mich speziell unter dem Aspekt Nachhaltigkeit die Chance an, den nächsten Karriereschritt zu tun. Wie gesagt: Es war nie mein Plan, einmal für eine europäische Firma zu arbeiten, aber für mich war die Gelegenheit attraktiv.“
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Und was ist Ihr erster Eindruck?
„Vor allem bin ich angenehm überrascht von dem Niveau an Kompetenz in unserem Team für Quant Research. Zudem ist der Teamgeist erfrischend, da meine Kollegen sehr offen und kooperativ sind. Zu den Dingen, die ich an der niederländischen Kultur schätze, gehört die Direktheit und das hohe Maß an Transparenz. Dies mag manchen Menschen unangenehm sein, doch ich finde es anregend, da ich eine offene Kommunikation aus der Research-Perspektive für entscheidend halte. Research stützt sich auf Ideen und eine entsprechend förderliche Kultur begünstigt Beiträge von jedem einzelnen. Zu vermeiden ist eine Situation, in der jüngere Mitarbeiter sich nicht zu Wort melden aus Furcht, den Ansichten höherrangiger Kollegen zu widersprechen.“
„Was die Infrastruktur betrifft, verfügt Robeco wahrscheinlich über die beste, die ich je gesehen habe. Meine neuen Kollegen haben drei Jahre mit dem Aufbau dieser hochmodernen, cloud-basierten Infrastruktur verbracht. Jetzt können wir praktisch alle Arbeiten in der Cloud erledigen, wobei wir auf die neueste Architektur zugreifen. Wichtig ist, dass sich dies auf einen gut gemachten und gut dokumentierten Code stützt. So etwas aufzubauen, ist keine Kleinigkeit – es erfordert erhebliche Investitionen und viel Zeit. Doch sorgt es für ein hervorragendes Fundament, das sich nach meiner Überzeugung für das Quant Research-Team und das Unternehmen insgesamt künftig auszahlen wird.“
Was können alternative Daten leisten und was macht sie attraktiv?
„Bildlich gesprochen ist die Investition in ein Unternehmen dem Kauf eines Hauses zu vergleichen. Man will alles gründlich prüfen, bevor man eine Entscheidung trifft. Zwar können traditionelle Daten auf Basis der offiziellen Rechnungslegung wichtige Charakteristika erkennen lassen. Sie liefern einem aber kein vollständiges Bild. Bezogen auf ein Haus kann es sich um die Quadratmeterzahl, die Zahl der Räume, die Ausstattung usw. handeln. Doch die Entscheidung eines möglichen Käufers kann durch zusätzliche Informationen beeinflusst werden, beispielsweise die strukturelle Stabilität des Gebäudes, das Ausmaß natürlicher Belüftung und Beleuchtung sowie die Qualität der Nachbarschaft. Diese Informationen sind eher alternativen Daten vergleichbar.“
„Aus Finance-Perspektive ermöglichen es einem alternative Daten, einen genaueren Blick auf intangible Elemente zu werfen. Vermitteln können sie einem beispielsweise Einsichten in Aspekte wie Markenwert, Mitarbeiterzufriedenheit, Innovation, geistiges Eigentum, Vergütungsstrukturen, Stakeholder-Stimmung und Diversität der Belegschaft. Sie können einem auch als Input für die Abschätzung der aktuellen Entwicklung eines Unternehmens dienen. Unseres Erachtens sind solche Informationen von zusätzlichen Wert – neben traditionellen Daten aus der Rechnungslegung, welche mit Zeitverzögerung publiziert werden und vergangenheitsorientiert sind.“
„Zwar können traditionelle Daten erhebliche Bedeutung für die Renditeentwicklung haben. Wir glauben aber auch, dass alternative Daten ebenfalls die Kurse von Wertpapieren beeinflussen und es Anlegern damit ermöglichen, alternatives Alpha zu erschließen. In der Tat vermitteln einem solche Zusatzinformationen ein vollständigeres Bild eines Unternehmens, auf dessen Grundlage Anleger ihre Entscheidungen treffen können.“
Ist das die Zukunft des Quant Investing – also quantitative Geldanlage der nächsten Generation?
„Quantitative Finance hat eine lange Historie und ist sehr angesehen, sowohl in der Forschung als auch in der Praxis. Auslöser war das wegweisende Faktormodell von Fama und French, welches die Basis für Quant Investing 1.0 lieferte. Nach einer akademischen Untersuchung machen etablierte Faktoren rund zwei Drittel der durchschnittlichen Schwankungsbreite der Aktienerträge aus. Ich glaube, dass sich das verbleibende Drittel teilweise mithilfe alternativer Daten erklären lässt und orthogonal zu den Informationen steht, die aus diesen Faktoren abgeleitet werden.“
„Aus diesem Grund arbeiten wir derzeit an quantitativen Anwendungen und Lösungen der nächsten Generation, die als Ergänzung von Quant Investing 1.0 dienen werden. Quantitative Geldanlage der nächsten Generation würde ich definieren als Einsatz alternativer Daten und fortschrittlicher statistischer Verfahren – wie zum Beispiel ML und NLP – die einem Informationen über intangible Aspekte, zukunftsgerichtete Erkenntnisse, Echtzeit-Entwicklungen und Stimmungen vermitteln, um alternatives Alpha zu erschließen.“
„Wir bei Robeco sind uns dieser Chance bewusst und bauen den Bereich Quant Investing der nächsten Generation aus. Für mich ist es eine große Ehre, dazu beitragen zu können. Es ist meine feste Überzeugung, dass talentierte Mitarbeiter die notwendige Basis dafür sind, schnellere Fortschritte zu machen. Asset Management ist ein Geschäftsfeld, in dem Menschen entscheidend sind. Maßgeblich sind Kreativität, Leidenschaft und technische Kompetenz. Ich glaube, dass Robecos Quant Research-Team davon reichlich besitzt. Mein Ziel ist es, als Impulsgeber zu dienen, in dem ich ein ermutigendes Umfeld für Kreativität und die Entwicklung von Ideen schaffe.“
„Ich glaube, dass die traditionelle kooperative Kultur bei Robeco dem entgegenkommt. Auf Grundlage meiner Erfahrung in dem Bereich hoffe ich, zu einer Mentalität des Experimentierens und der Innovation beizutragen. Wichtig ist in dem Zusammenhang, dass wir bei diesem Vorhaben vom Senior Management stark unterstützt werden.“
Wie passt Nachhaltigkeit in dieses Bild?
„Es gibt eine erhebliche Überschneidung zwischen Quant-Ansätzen der nächsten Generation und dem Bereich Nachhaltigkeit. In der Vergangenheit litten bestimmte Aspekte von Nachhaltigkeit darunter, dass sie vergangenheitsorientiert und mit Zeitverzögerungen verbunden waren. Im Hinblick auf andere fehlt es an konkreten Messmethoden. An dieser Stelle können alternative Daten und fortschrittliche Verfahren eine Funktion erfüllen.“
„Beispielsweise könnten solche neuartigen Methoden dazu genutzt werden, die Unternehmenskultur zu messen. So könnte es eine Möglichkeit sein, Erkenntnisse zu gewinnen, indem man analysiert, wie Mitarbeiter ihr Unternehmen und seine Werte beschreiben. Geschehen könnte dies in Form von Audio- oder Textdaten (alternative Daten), welche mithilfe von NLP-Verfahren (fortschrittliche Techniken) analysiert werden. Mein Wunsch ist es, neue Datenquellen und Verfahren zusammenzuführen, um Nachhaltigkeit in unserem Research und unseren Anlagelösungen noch stärker zu verankern.“