Europäische Länder in der Führungsrolle
Finnland, Schweden, Norwegen, Dänemark und die Schweiz erhielten Top-Scores in Robecos erstem Country Sustainability Report 2022. Dank robuster demokratischer Institutionen, starker gesellschaftlicher Strukturen und ehrgeiziger ökologischer Führung hat sich das Abschneiden der langjährigen Nachhaltigkeits-Superstars weiter verbessert.
Unter den Spitzenreitern auf der Weltrangliste befanden sich auch eine Reihe wohlhabender europäischer Volkswirtschaften, darunter Island, Deutschland, die Niederlande und Österreich. Auf der A-Liste stand auch Estland, ein osteuropäisches Schwellenland, das auf eindrucksvolle Weise viele westeuropäische Länder wie Frankreich, Irland und das Vereinigte Königreich hinter sich lassen konnte. Außerhalb Europas schnitt einmal mehr Neuseeland am besten ab.
Unterdessen ist Russland nach seinem Einmarsch in der Ukraine Anfang des Jahres zurückgefallen. Unsere ESG-Analysen haben zwar keinen regelrechten Krieg vorausgesagt, aber immer wieder Warnsignale geliefert, da sich die Macht bei Putin konzentriert und die demokratische Kontrolle abnimmt.
Zeitenwandel erfordert Anpassungen
Governance-Faktoren haben lange Zeit bei der ESG-Länderanalyse dominiert, und das zu Recht. Intakte Institutionen, systematische Prozesse, die Rechenschaftspflicht der Regierung sowie mündige Bürger bieten eine schützende Basis für die Unterstützung und Verwirklichung sozialer und ökologischer Ziele. Doch eine Reihe von „Ausbrüchen“ – im sozialen Bereich (systemischer Rassismus in den USA, chronische regionale Ungleichheiten in Frankreich, Menschenrechtsverletzungen in China), im Gesundheitsbereich (Corona-Pandemie) und im Umweltbereich (verheerende Dürren, Brände und Überschwemmungen) – zeigen eindrücklich die zunehmende Bedeutung der Aspekte Umwelt und Soziales für die Länder und die Weltwirtschaft. Infolgedessen wurde das CSR-Rahmenwerk um neue Indikatoren erweitert und die Gewichtung anderer zugrundeliegender Indikatoren in allen drei ESG-Bereichen verändert.
Am wichtigsten für die Rangfolge waren Änderungen bei der Messung des Exposures der Länder gegenüber Klimarisiken, Biodiversitätsverlust und Menschenrechten. Die Scores mehrerer westeuropäischer Länder stiegen, während die Länder mit hohen CO2-Emissionen, geringer Achtung der Menschenrechte oder nur schleppend umgesetzter Energiewende abrutschten. Diese Liste umfasst die USA, Australien und die Golfstaaten Saudi-Arabien, Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate.
Auch die Türkei und Hongkong sind in der Rangliste zurückgefallen. Dies ist vor allem auf Mängel in den Regierungsinstitutionen und das harte Durchgreifen gegen die persönlichen Freiheiten der Bevölkerung zurückzuführen.
Obwohl die Säulen E und S mehr Gewicht erhalten haben, zeigen der Aufstieg autoritärer Regime, die Häufigkeit geopolitischer Konflikte und die Spannungen zwischen den Supermächten der Welt, warum Governance-Faktoren immer noch im Gesamt-Score dominieren.
Nachwirkungen der Coronakrise belasten
In den meisten Regionen der Welt ist die Corona-Pandemie auf dem Rückzug. Dennoch gibt es einige Anzeichen von „Long Covid“, d. h. einige Länder haben sich von den anfänglichen Schocks weitgehend erholt, leiden aber immer noch unter schwächenden Symptomen. Diese Analyse trifft auf Kanada, Indonesien und Vietnam zu.
Kanadas Abschneiden hat sich in den Bereichen soziale Unruhen, Ungleichheit, politisches Risiko und Stabilität verschlechtert, die alle eng mit den negativen sozioökonomischen Auswirkungen der Coronakrise zusammenhängen. Vietnam ist im Hinblick auf die Kriterien politisches Risiko, Globalisierung und Innovation zurückgefallen, während das Land langsam die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie hinter sich lässt. In Indonesien haben sich die Maßnahmen zur Bekämpfung der Ausbreitung des Coronavirus auch als nützlich erwiesen, um die Ausbreitung des islamischen Extremismus einzudämmen. Obwohl das Coronavirus auf dem Rückzug ist, gelten die umstrittenen Gesetze der Regierung weiterhin. Dies führt zu Kontroversen, Sorgen und Unsicherheit und drückt die Scores für politische Stabilität nach unten.
Neben dem Thema Klimawandel waren Ungleichheit und politische Stabilität die Hauptfaktoren für die schlechteren Scores Australien und der USA.
Wie schneiden Unternehmen und Länder in punkto Nachhaltigkeit ab?
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Länder auf den unteren Rängen
Die Länder am unteren Ende der Rangfolge hängen davon ab, welche Gesamtheit betrachtet wird. Die Türkei, Vietnam, Indien, Nigeria und Pakistan sind die Länder, die am schlechtesten abschneiden, betrachtet man nur das investierbare Universum (definiert als die 50 größten investierbaren Volkswirtschaften in Bezug auf das nominale BIP). Bei Betrachtung der vollständigen Grundgesamtheit von 150 Ländern bilden dagegen der Tschad, der Sudan, der Iran, der Irak und der Jemen die fünf Schlusslichter. Es überrascht nicht, dass es sich bei den fünf Schlusslichtern um wirtschaftlich, sozial und politisch fragile Staaten in Afrika und im Nahen Osten handelt. Afrikanische Länder dominieren erneut auf den unteren Rängen (13 von 19 Ländern), gefolgt von einer Reihe von Ländern des Nahen Ostens, darunter Jemen, Irak und Iran, sowie Venezuela in Lateinamerika. Mit Ausnahme des Irak handelt es sich bei den meisten um Länder mit niedrigem bis geringem Durchschnittseinkommen.
Grafik 1 Gewinner und Verlierer auf Länderebene
Datenquelle: Robeco; Datenstand: April 2022
Das Diagramm zeigt die Länder mit den am stärksten gestiegenen Scores (links) bzw. den am stärksten gesunkenen Scores (rechts) in den letzten sechs Monaten bis April 2022. Gezeigt werden nur Länder aus den 50 führenden Industrie- und Schwellenländern in Bezug auf das nominale BIP.
Von der Gruppe der 127 Schwellen- und Entwicklungsländer schafften es nur 9 in die zweitbeste Ländergruppe. Abgesehen von Israel und Singapur sind sie alle EU-Mitgliedstaaten (siehe Abbildung). Die Nachhaltigkeitswerte der BRICS-Staaten1 sowie der aufstrebenden Schwergewichte Indonesien, Mexiko und Türkei enttäuschen angesichts ihres Potentials in wirtschaftlicher Hinsicht und in Bezug auf das Humankapital weiterhin.
Kommt die Energiewende zum Stillstand?
Die Verringerung der Emissionen bei gleichzeitiger Gewährleistung der Sicherheit der Energieversorgung sind kurz- und mittelfristig zentrale Themen. Bislang könnte man den weltweiten Marsch in Richtung netto null CO2-Emissionen mit „zwei Schritte vorwärts und ein Schritt zurück“ beschreiben. Nordeuropa treibt uns voran, während die großen Umweltverschmutzer wie China, die USA und Indien nur langsam vorankommen. Allerdings erweist sich die Abhängigkeit Europas (bzw. Deutschlands) von russischem Gas als Engpass, der nicht nur das Wirtschaftswachstum, sondern auch den Übergang zu sauberer, erneuerbarer Energie zu bremsen droht. Schon vor dem Krieg waren die Energiepreise weltweit in die Höhe geschnellt, was viele Länder dazu veranlasste, wieder auf schmutzige Kohle zurückzugreifen. Einer IWF-Studie zufolge sind die globalen Treibhausgasemissionen 2021 um 6,4 % gestiegen und haben damit den vor der Corona-Pandemie im Jahr 2019 erreichten Höchststand noch übertroffen.
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Ermutigende Signale
Trotz Rückschlägen gehen von vielen Ländern ermutigende Signale aus. Unter dem neuen Premierminister Albanese hat Australien vor kurzem ein wegweisendes Gesetz verabschiedet, das eine schnellere Senkung der Emissionen bis 2030 vorsieht und bis 2050 netto null Emissionen erreichen will. Unter dem Eindruck einer lähmenden Hitzewelle will auch Indien seine Energieintensität verringern und den Anteil erneuerbarer Energien an seinem Energiemix erhöhen. Und was am wichtigsten ist: Die USA haben vor kurzem ein bedeutendes Klimagesetz verabschiedet, das überarbeitete NDC-Emissionsziele enthält und fast 370 Mrd. USD für klimafreundliche Maßnahmen bereitstellt. Dazu gehören Subventionen für Elektrofahrzeuge, Solarpaneele, Wärmepumpen und alle Arten von energieeffizienten Technologien in der Industrie.
Auch wenn die neuen Ziele und Finanzmittel immer noch hinter den ursprünglichen Plänen von Präsident Biden zurückbleiben, dürften diese positiven Maßnahmen der größten Volkswirtschaft der Welt eine große symbolische Kraft entfalten und dazu beitragen, die globalen Bemühungen zur Bekämpfung des Klimawandels zu befeuern.
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1 Brasilien, Russland, India, China & Südafrika.