GPT hat seinen Ursprung in der Verarbeitung natürlicher Sprache (NLP), einem Teilgebiet des maschinellen Lernens (ML), das sich darauf konzentriert, Computer in die Lage zu versetzen, menschliche Sprache zu verstehen, zu interpretieren und zu erzeugen. Ein frühes Beispiel für eine NLP-Anwendung im Bereich Kapitalanlagen ist das 2007 entwickelte Bag-of-Words, das Wörter identifiziert, die mit einer positiven oder negativen Stimmung verbunden sind.
2017 stellte das Google-Forschungslabor das Transformer-Modell vor, eine Architektur für tiefe neuronale Netze, die ein effizienteres Netzwerktraining ermöglicht und die potenzielle Modellgröße sowie die zu verarbeitende Datenmenge erhöht. GPT (Generative Pretrained Transformer) ist eine spezielle Kategorie von Sprachmodellen auf der Grundlage von NLP, die von OpenAI entwickelt wurde. Jede neue GPT-Generation hat gegenüber der vorhergehenden einen enormen Leistungssprung gemacht – bis hin zu GPT-4, dem neuesten und fortschrittlichsten Modell.
Mögliche Anwendungen und Chancen
Das Tempo, mit dem sich GPT und andere generative Modelle durchgesetzt haben, empfinden die einen als hoch spannend – andere hingegen als furchteinflößend, je nachdem, wie vertraut man mit neuen Technologien ist. Wenn sich eine neue Technologie ihren Weg bahnt, hat man zwei Möglichkeiten: entweder man ignoriert sie einfach, oder man prüft, was sie bewirken kann. Wir glauben, dass es vernünftiger ist, mit vorsichtiger Neugier den zweiten Weg zu beschreiten.
Für die Asset-Management-Branche bietet ein ausgereiftes GPT-Modell zahlreiche denkbare Anwendungen. So besteht beispielsweise die Arbeit eines Quant-Analysten zu einem wesentlichen Teil darin, Informationen schnell ausfindig zu machen und zu bündeln, um die richtigen Anlageentscheidungen treffen zu können. Zudem könnte die Fähigkeit von ChatGPT, eine große Menge an Textdaten zu analysieren, bei der Portfoliokonstruktion nützlich sein. Zugleich könnte die Technologie aber auch Analysten unterstützen, neuartige oder aufkommende Anlagethemen und -trends zu identifizieren, die noch wenig bekannt oder anerkannt sind.
Ein besonders interessanter Aspekt für Analysten ist die Nutzung von ChatGPT als Sparringspartner und Research-Assistent. So kann ChatGPT für sie Ideen bewerten, Textstrukturen auf den Prüfstand stellen oder Szenarioanalysen durchführen. Wir haben ChatGPT zum Beispiel gefragt: „Welche Branchen werden von der steigenden Inflation am stärksten betroffen sein und warum?“
Abbildung 1 - Fragen & Antworten mit ChatGPT
Bessere Investitionen, besserer Workflow
Fachleute, die GPT in ihre Arbeitsabläufe integrieren, können routinemäßige, prozessorientierte Aufgaben abgeben und somit Zeit für Aufgaben mit höherem Mehrwert gewinnen. Mit einem persönlichen Assistenten in Gestalt eines Modells wie ChatGPT, das sich um Finanzberichte, Zusammenfassungen oder Kodierungen kümmert, lässt sich viel Zeit und Energie einsparen. Zudem kann GPT beim Marketing als kreativer Sparringspartner helfen oder einprägsame Texte erstellen.
So hat Robeco das Modell beispielsweise genutzt, um Engagement-Schreiben zu verfassen. Diese sind ein wichtiges und wirksames Instrument für nachhaltigkeitsorientierte Anleger, um die Unternehmen zur Verbesserung ihrer Nachhaltigkeitspraktiken aufzufordern. Mit GPT können Anleger, die auf Nachhaltigkeit abzielen, beim Verfassen von kohärenten, gut formulierten Engagement-Schreiben enorm Zeit einsparen. Dabei entscheiden sie nach wie vor selbst, auf welche Engagement-Themen sie sich konzentrieren wollen.
2022 entwickelte Robeco ein System, um GPT zur Unterstützung beim Verfassen von Engagement-Schreiben zu nutzen und damit Einfluss und Reichweite der Robeco-Nachhaltigkeitsexperten zu erhöhen, die zugleich in Bezug auf die relevanten Engagement-Themen oder das betreffende Unternehmen jedoch die volle Kontrolle behalten.
Next-Generation Quant
Mit dem technologischen Fortschritt nehmen auch die Möglichkeiten für quantitative Investoren zu. Indem wir mehr Daten einbeziehen und fortgeschrittene Modellierungstechniken nutzen, können wir tiefere Einblicke gewinnen und bessere Entscheidungen treffen.
Worauf ist zu achten?
Die aktuellen und künftigen Möglichkeiten generativer und insbesondere der GPT-Modelle, werden mit großer Spannung beobachtet. Doch kommt es entscheidend darauf an, sich über potenzielle Fallstricke der Technologie sowie Situationen, in denen etwas schief gehen könnte, im Klaren zu sein und diese zu identifizieren. Zum jetzigen Zeitpunkt betrachten wir GPT- und andere generative Modelle als vielseitige, kreative Werkzeuge, die man nutzen und mit denen man experimentieren kann – auf die man aber nicht blind vertrauen kann und sollte.
Erstens kann GPT, das mit einem sehr breiten Spektrum an Texteingaben trainiert wurde, bei fachspezifischen Aufgaben Schwierigkeiten haben. Selbst die Ausgabequalität von GPT-4 kann sich nicht mit der eines echten menschlichen Experten messen. Zweitens sind die Antworten mitunter falsch, was auch als „KI-Halluzinationen“ bezeichnet wird. In diesen Fällen gibt GPT dem Benutzer selbstbewusst Antworten, die zwar plausibel klingen, aber grundlegend falsch sind. Und gelegentlich wird GPT sogar versuchen, seinen Standpunkt zu verdeutlichen.
Um solchen Bedenken zu begegnen, ist es die menschliche Kontrolle unverzichtbar. Das gilt umso mehr, weil die Ausbildungsphase der GPT-Modelle zwangsläufig irgendwann abgeschlossen ist. Auch wenn aktuelle Informationen über Suchmaschinen mit integriertem GPT-Algorithmus zugänglich sind, mit denen die Genauigkeit des generierten Textes verbessert und auch die Herausforderung der Generierung von Text mit Zahlen überwunden werden kann, sollte sich niemand ausschließlich auf GPT verlassen.
Da die Asset-Management-Branche stark reguliert ist, steht die Nutzung von GPT zudem vor Compliance-Herausforderungen. In der Vermögensverwaltung ist die Vertraulichkeit sensibler Informationen von größter Bedeutung, da Vermögensverwalter sehr oft mit vertraulichen Kundendaten oder proprietären Anlagestrategien umgehen. Auch wenn GPT-Modelle bei der Verarbeitung und Generierung von Texten hocheffektiv sind, können sie versehentlich Informationen, die während des Trainings oder der Benutzerinteraktion bereitgestellt wurden, speichern oder preisgeben. Dieses Risiko hat bereits verschiedene Institute veranlasst, die Verwendung von GPT-Modellen zu unterbinden, um die Privatsphäre der Kunden und das geistige Eigentum zu schützen.
Wie geht es weiter?
Mit Blick auf die breite Gesellschaft sehen wir drei mögliche wesentliche Folgen von GPT. Erstens können diese generativen Modelle als Archiv konventionellen Wissens betrachtet werden und als solches einen schnellen und einfachen Zugriff auf das gesamte herkömmliche digitalisierte Wissen der Menschheit gewähren. Im Wesentlichen demokratisieren diese Modelle den Zugang zu elementarem Wissen – sowohl auf Ebene der breiten Gesellschaft als auch innerhalb eines Unternehmens.
Zweitens könnte die GPT-Technologie für enorme Produktivitätssteigerungen sorgen, da Aufgaben, die diese Modelle übernehmen können, nicht mehr von den Beschäftigten erledigt werden müssen. Dies könnte einerseits die weltweite Einführung der Vier-Tage-Woche ermöglichen. Andererseits könnte dies zu einer weiteren Spaltung der Gesellschaft führen – zwischen denjenigen mit Kompetenzen, die sich nicht durch generative Modelle ersetzen lassen, und denjenigen, die durch solche Modelle ersetzt werden können – wie etwa „gewöhnliche“ Texter, Schriftsteller und Programmierer. Wenn diese Technologien fester Bestandteil unserer Gesellschaft werden, stellt sich zudem die Frage der Verlässlichkeit von Informationen.
Wenn Maschinen zunehmend „menschlicher“ werden, bedeutet GPT mit Blick auf die Vermögensverwaltung drittens, dass sich die Menschen stärker auf ihre ureigenen menschlichen Fähigkeiten konzentrieren können. In anderen Worten werden für die Menschen, die in der Asset-Management-Branche arbeiten, ihre Empathie, ihre Kreativität, ihr Fachwissen und ihr gutes Urteilsvermögen noch wichtiger werden. Menschen mit besonderen Spezialkenntnissen werden für die Unternehmen wichtig bleiben. Und die Fähigkeit, die richtigen Geschäftsentscheidungen zu treffen – und dann für die Konsequenzen einzustehen – wird so wichtig sein wie eh und je.
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