01-05-2023 · Einblick

Positive Daten aus China bestätigen Erholung trotz handelspolitischer Spannungen

Spannungen mit den USA auf geopolitischer Ebene und in Bezug auf die Handelspolitik belasten die Anlegerstimmung gegenüber China, doch die Konjunkturdaten entwickeln sich deutlich positiv.

    Autoren/Autorinnen

  • Jie Lu - Head of Investments China

    Jie Lu

    Head of Investments China

  • Helen Keung - Client Portfolio Manager

    Helen Keung

    Client Portfolio Manager

Die Datenlage ist eindeutig

Man glaubt kaum, dass es erst sechs Monate her ist, als die chinesische Regierung ankündigte, einen Kurswechsel vorzunehmen und die Volkswirtschaft nach der Corona-Pandemie wieder zu öffnen. Entgegen den schlimmsten Befürchtungen einiger Analysten ist die Wiederöffnung relativ glatt verlaufen, und die Wirtschaft nimmt inzwischen wieder Fahrt auf.

Es gibt zwar nach wie vor skeptische Stimmen, doch die jüngsten Konjunkturdaten fielen positiv aus. Das BIP wuchs im ersten Quartal um 4,5 % gegenüber dem Vorjahr. Damit hat die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt gute Aussichten, ihr offizielles Wachstumsziel von 5 % im Jahr 2023 ohne weitere Lockerung der Geldpolitik oder zusätzliche fiskalpolitische Anreize zu erreichen. Die zugrundeliegenden Daten waren uneinheitlich. So nahmen die Einzelhandelsumsätze und die Anlageinvestitionen stark zu, doch die Industrieproduktion erhöhte sich mit einem Plus von 3,9 % gegenüber dem Vorjahr nur mäßig. Als Grund dafür wurde die schwache Nachfrage aus Europa und den USA angeführt. Dies spiegelte sich auch in den Exportzahlen für März wider, bei denen der kräftige Exportanstieg in die ASEAN-Länder (+18,8 % im Jahresvergleich) die Schwäche im Handel mit Europa (-7 %) und den USA (-17 %) ausglich.

Andere Indikatoren deuten darauf hin, dass das Wirtschaftswachstum im zweiten Quartal und darüber hinaus an Dynamik gewinnen dürfte. Die chinesischen Einkaufsmanagerindizes erreichten im März einen Stand von 51,6 im Verarbeitenden Gewerbe bzw. von 55,0 im Nicht-Verarbeitenden Sektor. Zudem stieg der Stromverbrauch im März um 5,9 % gegenüber dem Vorjahresmonat auf 736,9 Milliarden Kilowattstunden. Das stellt eine deutliche Beschleunigung gegenüber den Wachstumsraten im Januar und Februar dar.

Aus unserer Sicht spiegeln sich in diesen Daten das schwache Wachstum in Europa und den USA wider, während China (in der Binnenwirtschaft) und die ASEAN-Länder sich überdurchschnittlich entwickeln. Dies bestätigt unsere Einschätzung, dass sich Chinas Wirtschaft auf einem soliden, wenn auch unspektakulären Wachstumskurs befindet. Es erklärt außerdem den jüngsten Kursaufschwung am Aktienmarkt, der den Shanghai Composite Index im laufenden Jahr bis zum 16. April um 8,7 % steigen ließ.

Immobilienmarkt hat seinen Tiefpunkt endlich überwunden

Die Verkäufe von Wohnimmobilien stiegen im ersten Quartal um 7,1 %, nachdem sie im vierten Quartal 2022 nur um 3,5 % zugelegt hatten. Das deutet darauf hin, dass die Erholung bei den Immobilienverkäufen endlich an Fahrt gewinnt und der Markt wieder funktioniert. Die gestiegenen Verkaufszahlen machten sich auch bei den Immobilienpreisen bemerkbar. Sie erhöhten sich im März 2023 gegenüber dem Vormonat um 0,5 %, was unsere These stützt, dass die Talsohle erreicht ist.

Das sagt zwar nicht unmittelbar etwas über die Entwicklung der Bautätigkeit insgesamt, da die Zunahme des Absatzes auf unverkaufte Bestände zurückzuführen ist. Dennoch stellt es ein deutliches erstes Anzeichen für eine Normalisierung dar. Wir beobachten auch die Daten zum Erwerb von Grundstücken in Großstädten, bei denen es Anzeichen für steigende Nachfrage gibt. Zwar vergeht zwischen dem Erwerb von Grundstücken und dem Bau in der Regel eine gewisse Zeit, dennoch dürfte diese Entwicklung sich im Immobiliensektor in einer verbesserten Nachfrage nach Neubauten niederschlagen. Das wiederum würde wichtige Auswirkungen auf die künftige Entwicklung des Vertrauens von Unternehmen und Konsumenten haben.

Reiseverkehr hebt ab

Wie im Rest der Welt hat sich der chinesische Reiseverkehr nach der Aufhebung der Corona-Restriktionen am schnellsten erholt, dicht gefolgt vom Luxuskonsum. In China hängen der Reiseverkehr und der Konsum von Luxusgütern häufig eng zusammen. Im Vorfeld der arbeitsfreien Goldenen Woche (erste Mai-Woche) deutet einiges auf ein Anhalten dieses Trends hin.

Die Hotelpreise in Macau werden über dem Niveau vor der Corona-Pandemie liegen, und auf Basis der Vorbuchungen sind höhere Belegungsquoten als 2019 zu erwarten.

Das sind gute Nachrichten für börsennotierte Kasinounternehmen, die derzeit von positiven Gewinnrevisionen profitieren. Die Erholung ist aber auch im gesamten heimischen Reisesektor zu spüren. Die chinesische Online-Reiseagentur Trip.com teilte uns mit, dass die Zahl der Hotelübernachtungen und der Flugticketverkäufe im Inland gegenüber 2019 um deutlich mehr als 10 % gestiegen sind, was ein sehr positives Zeichen ist.

Daher haben wir uns in Unternehmen mit Bezug zum Reisesektor sowie im Bereich Massenkonsum (einschließlich Brauereien) positioniert, um diesen ausgeprägten Trend bei den freizeitbezogenen Konsumausgaben auszunutzen.

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Schwelender handelspolitischer Konflikt, aber kein Handelskrieg

Die offensichtlichste Belastung der Anlegerstimmung in Bezug auf China stellen die derzeitigen handelspolitischen Spannungen dar. Davon konkret betroffen ist die Halbleiterbranche. Dort wirken sich der amerikanische CHIPS Act und die im Oktober 2022 angekündigten Beschränkungen für den Export von Technologien zur Chipproduktion nach China bereits erheblich auf Betrieb und Planung aus. Die Gegenmaßnahmen Chinas halten sich bisher in Grenzen. Sie beschränken sich auf die Einleitung einer Untersuchung in punkto Cyber Security beim amerikanischen Speicherchip-Riesen Micron Technologies. Bislang haben sich noch keine Auswirkungen auf andere Branchen ergeben.

Unserer Einschätzung nach werden die greifbaren Auswirkungen des Handelskonflikts außerhalb des Halbleitersektors derzeit überbewertet. Wir hoffen, dass es zu keiner Verschärfung kommt, da die schädlichen Auswirkungen auf beiden Seiten des Pazifiks gravierend wären.

Offshoring: Ein langfristiger Trend

Das Abwandern der Industrieproduktion in ASEAN-Staaten und nach Indien ist ebenfalls als negativer Faktor für China angeführt worden. Bei sonst unveränderten Gegebenheiten trifft das auch zu. Allerdings halten wir dies für einen langfristigen Prozess, der sich eher auf die Wettbewerbsfähigkeit der chinesischen Industrie gegenüber Vietnam und anderen Ländern bezieht. Diesem Trend liegen strukturell gesehen weniger geopolitische Aspekte zugrunde als die von China beabsichtigte verstärkte Ausrichtung auf die Qualität des Wachstums, die Produktion höherwertiger Güter und ein Anstieg des Lohnniveaus.

Der „Offshoring“-Trend erhielt während der Corona-Pandemie weiteren Schub. So wurden die Vorteile einer auf mehrere Quellen verteilten Lieferkette und einer gewissen integrierten Redundanz deutlich. Dies kommt klar den Nachbarn Chinas zugute, bedeutet aber nicht das Ende des wirtschaftlichen Aufstiegs Chinas. Die Entwicklung ist vergleichbar mit der schrittweisen Verlagerung von US-Industrieproduktion nach Mexiko und China, die sich über Jahrzehnte hinweg vollzog.