Obwohl sich die meisten Fußballclubs in privater Hand befinden, gibt es genügend börsennotierte Clubs, die eine eingehende Untersuchung rechtfertigen. Die Aktien dieser Clubs hat vielleicht nicht jeder Anleger auf dem Schirm, was vor allem an ihrer geringen Marktkapitalisierung liegt. Deshalb ist ihre finanzielle und wirtschaftliche Wirkung begrenzt, was eine Aufnahme in gängige Aktienindizes verhindert.
Ihre Einzigartigkeit bietet aber die Grundlage für eine faszinierende Fallstudie. Beispielsweise stieg im Oktober 2004 der Aktienkurs der „Unbesiegbaren“ vom FC Arsenal um beeindruckende 67 %, nachdem die Mannschaft 49 Spiele lang ungeschlagen geblieben war. Dagegen fiel der Aktienkurs von Juventus Turin im Mai 2006 nach der Enthüllung des „Calciopoli-Skandals“ um 45 %.1
Im Allgemeinen hängen die Einnahmen eines Clubs sehr stark von der Leistung auf dem Spielfeld ab, wo die Grenze zwischen Erfolg und Misserfolg oft hauchdünn ist. Anders als bei herkömmlichen Wirtschaftsunternehmen steht bei Fußballclubs weniger die Dividendenmaximierung für Aktionäre im Vordergrund. Stattdessen investieren sie ihre Gewinne in die Mannschaften, um ihre Chancen auf zukünftige Spiel- und Titelgewinne zu verbessern.
Daten
Wir wollten die gemessen an der Marktkapitalisierung bedeutendsten Fußballaktien ermitteln, und zwar nicht nur aktuell, sondern auch in der Vergangenheit, um die sogenannte „Survivorship Bias“ zu vermeiden.2 Unsere Stichprobe umfasst die Aktien von 26 Fußballclubs aus einem Dutzend europäischer Länder, die in der Regel in der Spitzenliga ihres jeweiligen Landes spielen. Dazu gehören so bekannte Clubs wie Manchester United, der FC Arsenal, Borussia Dortmund, Juventus Turin, Olympique Lyon und Ajax Amsterdam. Abbildung 1 gibt einen umfassenden Überblick über die untersuchten Fußballaktien.
Abbildung 1: Stichprobe börsennotierter europäischer Fußballclubs
Quelle: Robeco, STOXX. Die Abbildung zeigt unsere Stichprobe börsennotierter europäischer Fußballclubs: Aalborg, AFC Ajax, Aarhus, AIK Fotboll, Arsenal, AS Roma, Benfica, Besiktas, Borussia Dortmund, Brondby IF, Celtic, FC Porto, Fenerbahçe S.K., FK Teteks, Galatasaray, Juventus, Kopenhagen FC, Lazio Roma, Manchester United, Newcastle United, Olympique Lyon, Ruch Chorzow, Silkeborg IF, Sporting Lissabon, Tottenham Hotspur und Trabzonspor.
Unser Untersuchungszeitraum reicht von Januar 1997 bis März 2023 und umfasst somit Daten aus über einem Vierteljahrhundert. Wir haben Daten zur Rendite und zur Marktkapitalisierung für alle Aktien zusammengetragen und durch Bestimmung der mit der Marktkapitalisierung gewichteten Durchschnittsrendite der jeweils verfügbaren Aktien einen Fußballaktienindex erstellt.
Dieser Index enthielt zunächst lediglich sechs Fußballaktien, wurde aber nach und nach erweitert. Bis 2005 wurde er stark von Manchester United mit einem durchschnittlichen Indexgewicht von über 40 % beeinflusst. Nach dem Abschied von Manchester United von der Börse im Jahr 2005 wurde der Index ausgewogener – ein Trend, der auch seit der Wiederaufnahme von Manchester United im Jahr 2012 andauert.
Geringes oder hohes Risiko?
Bei unserer ersten Analyse konzentrierten wir uns auf das mit Fußballaktien verbundene Risiko. Die beiden wichtigsten Risikokennzahlen sind die Volatilität und das Beta. Bei den meisten Aktien gehen diese Risikokennzahlen in dieselbe Richtung. D. h., Aktien mit geringer Volatilität besitzen häufig auch ein niedriges Beta und solche mit hoher Volatilität ein hohes Beta.
Diese Beziehung ist in Abbildung 2 dargestellt, in der alle Bestandteile des MSCI Europe Index in drei Volatilitätsbereiche und drei Beta-Bereiche eingeteilt sind.3 Die Abbildung zeigt, dass die meisten Aktien entlang der Diagonale von vorne links nach hinten rechts (blaue Balken) liegen, wobei große Unterschiede zwischen Volatilität und Beta (rote Balken) eher selten sind.
Abbildung 2: Einteilung der Bestandteile des MSCI Europe Index in Volatilitäts- und Beta-Gruppen
Quelle: Robeco, Refinitiv. Die Abbildung zeigt die Einteilung der Bestandteile des MSCI Europe Index in Volatilitäts- und Beta-Gruppen. Um in die Stichprobe aufgenommen zu werden, müssen für eine Aktie Renditedaten für mindestens fünf Jahre vorliegen. Der Untersuchungszeitraum reicht von Januar 1997 bis März 2023.
Allerdings besitzen Fußballaktien sehr unterschiedliche Risikoeigenschaften. Wie aus Abbildung 3 hervorgeht, zeichnen sich die meisten Fußballaktien durch hohe Volatilität und niedriges Beta aus – eine sehr ungewöhnliche Kombination. Hohe Volatilität bedeutet, dass die Aktienkurse stark schwanken, während ein niedriges Beta darauf hindeutet, dass sich die Aktien nur selten parallel zum Markt bewegen. Einfach ausgedrückt heißt dies, dass sich die Kurse von Fußballaktien in unterschiedliche Richtungen bewegen, aber auf ihre ganz eigene Art und Weise. Je nachdem, wie man Risiko definiert, sind diese Aktien damit zugleich risikoarm und risikoreich.
Abbildung 3: Einteilung europäischer Fußballaktien in Volatilitäts- und Beta-Gruppen
Quelle: Robeco, Refinitiv. Die Abbildung zeigt die Einteilung europäischer Fußballaktien in Volatilitäts- und Beta-Gruppen. Ausgehend von denselben Haltepunkten wie in Abbildung 2 werden die Fußballaktien in drei Volatilitäts- und drei Beta-Kategorien eingeteilt. Der Untersuchungszeitraum reicht von Januar 1997 bis März 2023.
Renditen von Fußballaktien
Die Rendite des gesamten Fußballaktienindex im Vergleich zum MSCI Europe Index nach Kalenderjahren ist in Abbildung 4 dargestellt. Renditeschwankungen von 20 bis 30 % in einem einzigen Jahr sind keine Seltenheit und spiegeln die hohe Volatilität von Fußballaktien wider. Ihr niedriges Beta zeigt sich in Jahren wie 2008 (globale Finanzkrise) und 2022 (Absturz von Technologie-Aktien), als sie die Performance des Markts deutlich übertrafen, was ihr eher unkorreliertes Verhalten unterstreicht.
Allerdings ist eine stark unterdurchschnittliche Performance wesentlich häufiger zu beobachten (in 48 % der Jahre) als eine stark überdurchschnittliche (in nur 30 % der Jahre). Im gesamten Untersuchungszeitraum blieb die Rendite des Fußballaktienindex pro Jahr um fast 6 % hinter der Marktrendite zurück.
Abbildung 4: Rendite von Fußballaktien im Vergleich zum MSCI Europe Index in einzelnen Kalenderjahren
Quelle: Robeco, Refinitiv. Die Abbildung zeigt den Renditeabstand zwischen europäischen Fußballaktien und dem MSCI Europe Index. Die Portfolios sind nach Wert gewichtet und werden monatlich aktualisiert. Die im Fußball-Portfolio enthaltenen Aktien sind in Abbildung 1 dargestellt. Der Untersuchungszeitraum reicht von Januar 1997 bis März 2023.
Wir haben schon viel über die „Low-Risk-Anomalie“ publiziert, also das Phänomen, dass risikoarme Aktien langfristig marktähnliche (oder höhere) Renditen bei erheblich geringerem Risiko erreichen, während risikoreiche Aktien trotz ihres hohen Risikogehalts niedrige langfristige Renditen abwerfen.4 Dies gilt unabhängig davon, ob die Volatilität oder das Beta als Risikokennzahl verwendet wird, was angesichts ihrer üblicherweise hohen Korrelation zwischen beiden Kennzahlen nicht überrascht.5 Fußballaktien bieten jedoch wegen ihrer unterschiedlichen Volatilitäts- und Beta-Eigenschaften eine einzigartige Gelegenheit zu beurteilen, welche Kennzahl die erwartete Rendite stärker beeinflusst.
Dazu vergleichen wir die langfristige Rendite des Fußballaktienindex mit der Rendite von nach Volatilität und Beta eingeteilten Portfolios im MSCI Europe-Universum. Wir betrachten mit dem Wert gewichtete Terzil-Portfolios für Volatilität und Beta, die auf Basis täglicher Daten über einen ein Jahr zurückreichenden Zeitraum geschätzt wurden. Abbildung 5 zeigt, dass die „Low-Risk-Anomalie“ bei europäischen Aktien eindeutig vorhanden ist. Was die langfristige Rendite angeht, liegen die Portfolios mit geringer Volatilität und niedrigem Beta vorne, während die Portfolios mit hoher Volatilität und hohem Beta das Schlusslicht bilden. Auch wenn die Volatilität anscheinend einen etwas größeren Einfluss hat als das Beta, sind die Unterschiede gering. Dies steht in Einklang mit der umfangreichen Literatur zur „Low-Risk-Anomalie“.
Abbildung 5: Kumulierte Performance von Fußball-, Volatilitäts- und Beta-Portfolios
Quelle: Robeco, Refinitiv. Die Abbildung zeigt die kumulierte Überschussrendite von europäischen Fußballaktien und Terzil-Aktienportfolios gegenüber dem risikofreien Zinssatz auf der Grundlage von Volatilität und Beta an 260 Tagen. Die Portfolios sind nach Wert gewichtet und werden monatlich aktualisiert. Die im Fußball-Portfolio enthaltenen Aktien sind in Abbildung 1 dargestellt. Das Anlageuniversum der Terzil-Portfolios besteht aus den im MSCI Europe Index enthaltenen Aktien. Der Untersuchungszeitraum reicht von Januar 1997 bis März 2023.
Mit Blick auf das aus Fußballaktien bestehende Portfolio stellen wir fest, dass es die insgesamt schwächste Performance aufweist. Tatsächlich ist die langfristige kumulierte Überschussrendite des Portfolios negativ. Das bedeutet, dass ein Investment in Fußballaktien sogar hinter der Rendite risikoloser bargeldnaher Anlagen zurückblieb. In Anbetracht ihrer hohen kurzfristigen Renditeschwankungen und der enttäuschenden langfristigen Durchschnittsrendite gleichen Fußballaktien eher risikoreichen als risikoarmen Titeln. Daher ist die hohe Volatilität von Fußballaktien anscheinend ein besserer Indikator für ihr Performance-Verhalten als ihr niedriges Beta. Wenn also Volatilität und Beta im Gegensatz zueinander stehen, sollten Anleger der Volatilität den Vorrang vor Beta geben.
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Fußballaktien als Lotterielose
Eine gängige Erklärung für die „Low-Risk-Anomalie“ ist, dass spekulative Anleger wegen ihrer Vorliebe für lotterieähnliche Eigenschaften, also für die Chance, den Jackpot zu knacken, bereit sind, zu viel für risikoreiche Aktien zu bezahlen.6 Unsere Stichprobe enthält dazu einige eindrucksvolle Beispiele. So erzielte Borussia Dortmund in der Saison 2010/2011, als der Club nach einer langen Durststrecke unerwartet Deutscher Meister wurde, eine Rendite von 138 %. Celtic brachte in der Saison 2006/2007, als sich der Club den nationalen Titel sicherte und in der Champions League über die Gruppenphase hinauskam, eine Rendite von 159 % ein. Und Fenerbahçe erzielte in der Saison 2007/2008, in der die Mannschaft in der Champions League das Viertelfinale erreichte, eine satte Rendite von 190 %.
Doch so wie es bei Lotterien mehr Verlierer als Gewinner gibt, stehen den gelegentlich hohen Kursgewinnen einiger Fußballaktien niedrige Renditen in vielen anderen Zeiträumen gegenüber. Für ein paar Glückspilze, die zum richtigen Zeitpunkt auf den richtigen Club setzen, mögen Fußballaktien zwar großartig sein. Bei den meisten Anlegern führen sie aber zu Enttäuschung.
Eingefleischte Fans könnten freilich einen gewissen nicht-finanziellen Nutzen daraus ziehen, ihren Lieblingsclub mit einem kleinen Teil ihres Vermögens zu unterstützen. Aus rein finanzieller Sicht zeigt die Analyse in diesem Artikel aber, dass Fußballaktien trotz ihrer scheinbar attraktiven „Low-Beta“-Eigenschaften im Allgemeinen kein lohnendes langfristiges Investment sind.
Fußnoten
1 Auch als Skandal der Serie A bekannt. In diesen Skandal, bei dem es um Spielmanipulation ging und der im Mai 2006 seinen Anfang nahm, waren mehrere italienische Spitzenclubs verwickelt, darunter Juventus Turin, der AC Mailand, Fiorentina, Lazio Roma und Reggina. Juventus Turin wurde am härtesten bestraft. Dem Club wurde der Serie-A-Titel für 2005 und 2006 aberkannt, und er wurde für die Saison 2006/2007 mit erheblichem Punktabzug in die Serie B verbannt. Der Skandal, bei dem Clubfunktionäre Einfluss auf die Schiedsrichterauswahl genommen hatten, führte zu erheblichen Veränderungen im italienischen Fußball.
2 Wir haben uns die Bestandteile von in der Vergangenheit verfügbaren Fußballaktienindizes angesehen. Darunter sind Fußballaktien, die inzwischen von der Börse genommen wurden.
3 Obwohl unsere Stichprobe auch Aktien aus Schwellenländern (Türkei, Polen) und sogar aus einem Frontier-Markt (Nordmazedonien) enthält, dient uns der regulärer MSCI Europe Index als Bezugspunkt.
4 Einen umfassenden Überblick enthält Blitz, van Vliet und Baltussen: „The Volatility Effected Revisited“, Journal of Portfolio Management, Band 64, Ausgabe 2, Seiten 45-63; 2020.
5 Häufig finden wir für die Volatilität etwas stärkere Ergebnisse als für das Beta, wobei die wichtigste Schlussfolgerung aber dieselbe ist.
6 S. Barberis und Huang: „Stocks as Lotteries: The Implications of Probability Weighting for Security Prices“, American Economic Review, Band 98, Ausgabe 5, S. 2066-2100; 2008.