Wachstumsfreundliche Politik beginnt Früchte zu tragen
Eine Rekordzahl von Reisenden belebte während der Feiertage in der ersten Oktoberwoche 2023 Chinas Flughäfen, Hotels und Bahnhöfe. In den ersten vier Tagen der achttägigen Goldenen Woche wurden 71,4 Millionen Bahnreisende und 8,3 Millionen Flugreisende gezählt. Das entspricht einem Anstieg von 25,7 % bzw. 11,4 % gegenüber 2019. Im Gegensatz zu diesem Bild der chinesischen Wirtschaft belastet der nur langsame Abbau der Verschuldung des Immobiliensektors nach anderthalb Jahrzehnten der Übertreibungen die Stimmung. Das Bild ist zwar durchwachsen, doch sind wir der Meinung, dass Anleger auf die schrittweisen Verbesserungen und die Anlagechancen schauen sollten, während sich die Wirtschaft insgesamt stabilisiert.
Positiv ist, dass die Einzelhandelsumsätze stabil sind, während der Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe in China im September mit einem Wert von 50,2 zum ersten Mal seit April wieder in den Wachstumsbereich vorstieß. Gleichzeitig stieg der Einkaufsmanagerindex für das nicht-verarbeitende Gewerbe ebenfalls (auf 51,7), was ebenfalls auf Wachstum hindeutet. Die Einkaufsmanagerindex-Daten vom September zeigen, dass die Input- und die Outputpreise gleichermaßen gestiegen sind. Dies deutet darauf hin, dass die Lockerungsmaßnahmen bereits greifen. Dies ist ein gutes Zeichen dafür, dass die schrittweisen Anpassungen der Politik wirken und das Wachstumsziel für 2023 von „rund 5 %“ nicht unerreichbar ist.
Beschleunigte politische Schritte
Chinas breiter Mix aus sektorspezifischen und auf mehr Wachstum abzielenden Anpassungen gewinnt an Dynamik. Die Maßnahmen seit August sind unten zusammengefasst. Wir glauben, dass die chinesischen Behörden auch unter dem Druck stehen, das Beschäftigungsniveau zu halten und die Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen. Jeder Rückgang des Wirtschaftswachstums um einen Prozentpunkt bedeutet einen erheblichen Verlust an Arbeitsplätzen, der sich auf Löhne, Einkommen und Stimmung der Verbraucher auswirken kann.
Immobiliensektor
Shanghai, Peking, Shenzhen und Guangzhou haben die Bedingungen für die Vergabe von Hypothekenkrediten gelockert, sodass potenzielle Hauskäufer leichteren Zugang zu besseren Hypothekenkonditionen haben. Sowohl für Erst- als auch für Zweitwohnungen wurden landesweit Erleichterungen bei der Hypothekenvergabe eingeführt, darunter die Verringerung der Anzahlungsquoten und Hypothekenzinsen. Außerdem wurden steuerliche Anreize geschaffen, z.B. die Erhöhung der Einkommensteuerfreibeträge für Ausgaben zur Ausbildung von Kindern und der Pflege von Angehörigen. Dies verringert die finanzielle Belastung potenzieller Immobilienkäufer. Guangzhou, eine der führenden Städte in China, hob im September die Kaufbeschränkungen in zwei Bezirken auf, die nicht zum Kerngeschäft gehören.
Verschuldung der Gebietskörperschaften
Ein weiteres strukturelles Problem ist die Verschuldung der lokaler öffentlicher Körperschaften, welche die Übertragung der Wirkung einer expansiven Finanzpolitik verhindert. Im September gab die Innere Mongolei Anleihen zur Refinanzierung aus, um Schulden bei Unternehmen zurückzuzahlen. Dies könnte ein Vorbild für andere Provinzen sein und könnte im vierten Quartal als mögliche umfassende Lösung weiter diskutiert werden.
Kapitalmärkte
Zu den Anreizen für die Kapitalmärkte gehören die Halbierung der Stempelsteuer auf den Aktienhandel, die Senkung der Sicherheitenquoten beim Margin Trading. Gleichzeitig soll eine Verlangsamung des Tempos von Börsengängen stattfinden.
Privater Sektor
Der Privatsektor erhält eine Atempause von regulatorischen Straffungen. So gibt es Anzeichen von Entspannung in Sektoren wie der Internettechnologie. „Drei große Berge“, die den chinesischen Durchschnittsbürger betreffen –
der Immobiliensektor, das Bildungswesen und das Gesundheitswesen – unterliegen nicht mehr der strikten aufsichtsrechtlichen Kontrolle der vergangenen Jahre. Der anstehende Börsengang des Logistikkonzerns Cainiao, der weltgrößte in diesem Jahr, ist ebenfalls ein ermutigendes Zeichen für die Privatwirtschaft.
Geldpolitik
Im Gegensatz zu den USA und Europa, wo die Zentralbanken ihre Geldpolitik straffen und die Kreditvergabekonditionen rasch verschärfen, dürfte die chinesische Geldpolitik in Zukunft eher locker sein. Die People's Bank of China senkte im August die Leitzinsen und senkte den einjährigen Kreditzins um 15 Basispunkte auf 2,5 %, früher als erwartet. Im Anschluss daran senkte sie die einjährige Loan Prime Rate für private Schuldner um 10 Basispunkte und den Mindestreservesatz für Banken um 25 Basispunkte.
Technologiedurchbruch in China und Anzeichen eines Tauwetters zwischen den USA und China
Neben der Lage am Immobilienmarkt hat vor allem die stetige Verschlechterung der Beziehungen zwischen den USA und China die Stimmung an den chinesischen Börsen belastet. So befürchteten die Anleger, dass der technologische Fortschritt in China durch Handelssanktionen gebremst werden könnte, doch bisher scheint dies nicht der Fall zu sein. Der Durchbruch von Huawei im Halbleiterbereich zeigt, dass China trotz der von den USA verhängten Beschränkungen bei dieser wichtigen Technologie autark werden will. Der wachsende Marktanteil des Landes in der Elektroautoindustrie, mit dem China Japan als größten Automobilexporteur überholt hat, könnte ebenfalls dazu führen, dass Investoren die Aussichten Chinas neu bewerten. Zudem haben sich die formellen Beziehungen zwischen den USA und China etwas verbessert – durch Einrichtung von Arbeitsgruppen für Wirtschafts- und Finanzfragen, welche die politische Kommunikation erleichtern sollen.
Ruhige Lage am Aktienmarkt, aber neue Kurstreiber in Sicht
Zu den wichtigsten potenziellen Kurstreibern am Aktienmarkt, auf die zu achten sind, gehören 1.) die Immobilienmarktdaten, in denen sich das Vertrauen der Hauskäufer widerspiegelt, 2.) die dritte Plenarsitzung der Kommunistischen Partei Chinas (wahrscheinlich im November), auf der Wirtschaftspolitik und Reformen diskutiert werden, sowie 3.) der von den Regierungen Chinas und der USA abgehaltene APEC-Gipfel im November in San Francisco. Wir halten eine weitere Lockerung der Finanz- und Wohnungsbaupolitik für wahrscheinlich. Gleichzeitig dürften die geldpolitischen Schritte von der Datenlage abhängen, während die Wirtschaft die Grundlagen für eine nachhaltigere Erholung schafft.
Die Marktstimmung ist in letzter Zeit sehr gedrückt gewesen. Jedoch könnte die kontinuierliche Verbesserung der Daten zu einer Kurserholung an den chinesischen Börsen führen, insbesondere im saisonal günstigen Umfeld des vierten Quartals. Im Rahmen unserer China-Strategien bevorzugen wir weiterhin Themen wie „Green Economy“, innovative Technologie und die technologische Aufwertung der chinesischen Industrie. Der Gewinntrend der Unternehmen ist nach wie vor gedämpft. Allerdings würde an den chinesischen Aktienmärkten eine Gewinnbelebung für neues Kurspotential sorgen. Daher sollten sich langfristig orientierte Anleger bereits im Vorfeld dafür positionieren.