21-11-2024 · SI Dilemmas

SI Dilemma: Sollten Investoren soziale Probleme angehen?

Vor kurzem wurde der 75. Jahrestag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte gefeiert. Es gibt nur wenige noch wertvollere Anliegen als die Grundsätze, die uns Menschen schützen sollen – aber sollte das auch Investoren interessieren? Ja, das sollte es – obwohl es noch in einen Business Case umgesetzt werden muss, und das kann angesichts der damit verbundenen emotionalen Aspekte schwierig sein.

    Autoren/Autorinnen

  • Masja Zandbergen-Albers - Head of Sustainability Integration

    Masja Zandbergen-Albers

    Head of Sustainability Integration

Die im Dezember 1948 geschaffene Allgemeine Erklärung der Menschenrechte entstand aus den Trümmern des Zweiten Weltkriegs und der Gründung der Vereinten Nationen. Die Weltgemeinschaft machte deutlich, dass die während des Krieges begangenen Grausamkeiten nie wieder geschehen dürfen und dass die Menschenrechte kodifiziert werden sollten. Das Abschlussdokument wurde in 500 (!) Sprachen1 übersetzt und dient noch heute als Grundlage der Menschenrechte.

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Die 30 Grundsätze der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Quelle: UN

Obwohl die Erklärung nicht rechtsverbindlich ist, hat sie die Entwicklung internationaler Menschenrechtsgesetze und verbindlicher Verträge angeregt. Von diesen wurde mindestens einer von allen 193 Mitgliedstaaten der UN ratifiziert.

Heute ist es hauptsächlich Aufgabe der Regierungen, dafür zu sorgen, dass die Menschenrechte in ihren Ländern geachtet werden. Wie kann dieses Thema also für Investoren relevant sein? Soziale Probleme sind für Asset-Manager ein Thema, seit das S zum mittleren Buchstaben von ESG wurde. Niemand zweifelt daran, dass es in der gleichen Weise wie Umwelt- oder Governance-Fragen betrachtet werden sollte – obwohl es oft als das Stiefkind ohne die starke Bedeutung des E und des G behandelt wurde.

Zwei Seiten sind zu berücksichtigen

Was Investoren betrifft, kann die Relevanz sozialer Probleme von zwei Seiten betrachtet werden. Die Art und Weise, wie Unternehmen mit sozialen Problemen umgehen, kann sich erheblich auf ihre Finanzergebnisse oder Geschäftsmodelle auswirken (finanzielle Relevanz). Beispielsweise sollte ein Bergbauunternehmen gute Beziehungen zum lokalen Umfeld pflegen, um seine Betriebslizenz zu behalten.

Soziale Probleme sind für Asset-Manager ein Thema, seit das S zum mittleren Buchstaben von ESG wurde

Leider gibt es tragische Beispiele dafür, dass dies nicht immer der Fall ist, etwa der Bruch des Abraumdamms im brasilianischen Brumadinho im Jahr 2019, bei dem 270 Menschen starben. Im Textilsektor ist der Einsturz der Rana-Plaza-Fabrik in Bangladesch im Jahr 2013, bei dem 1.134 Menschen ums Leben kamen, ein weiteres tragisches Beispiel. Die Bewältigung von Problemen im Zusammenhang mit Arbeitskräften in der Lieferkette ist ein zentrales Thema für Modeunternehmen.

Auch Telekommunikations- und IT-Unternehmen sind mit sozialen Problemen konfrontiert. Im heutigen, extrem vernetzten Internet sollten Social Media-Unternehmen die Daten ihrer Nutzer schützen und vertraulich behandeln, um keine großen Reputationsrisiken einzugehen. In ähnlicher Weise sind auch Gaming-Unternehmen auf Probleme gestoßen, soweit sie ihre Mitarbeiter nicht vor Arbeitsmissbrauch schützen konnten. Dieses Thema war kürzlich Gegenstand eines Engagements von Robeco.

Der Zusammenhang mit dem Erfolg

Im Vergleich zum Thema Klimawandel sind soziale Probleme viel umfassender und beinhalten viele verschiedene Aspekte. Daher ist es schwierig, einen positiven Zusammenhang zwischen dem sozialen Abschneiden im Allgemeinen und dem finanziellen Erfolg herzustellen, obwohl einige Researchergebnisse dazu vorliegen.

In einer Metaanalyse von Margolis et al. aus dem Jahr 20092 wurden über 200 Studien untersucht und eine leicht positive Korrelation zwischen dem sozialen Abschneiden von Unternehmen (CSP) und dem finanziellen Erfolg von Unternehmen (CFP) festgestellt. Dies deutet zwar darauf hin, dass ein gutes Abschneiden in sozialer Hinsicht zu besseren finanziellen Ergebnissen führen kann. Die Auswirkungen sind jedoch moderat und variieren je nach Kontext und Messmethoden. Die Bewältigung sozialer Probleme benachteiligt Unternehmen finanziell nicht, liefert aber im Allgemeinen auch keine starken finanziellen Anreize für die Durchführung sozialer Initiativen.

Ein soziales Thema, das offenbar in allen Sektoren finanziell relevant ist, ist das Personalmanagement. Die 100 besten Unternehmen, für die man in den USA arbeiten kann, haben seit 1997 eine deutliche Mehrrendite gegenüber dem breiten Markt erzielt.3 Eine Untersuchung von Robeco zu Glassdoor-Ratings kommt zu einem ähnlichen Ergebnis.

Auch wenn dies nicht für alle Bereiche gilt, sind soziale Probleme für einige Sektoren sicherlich finanziell relevant. Innerhalb der sozialen Probleme wiederum ist das Personalmanagement der finanziell relevanteste Faktor in allen Sektoren.

Welche Pflichten haben Investoren?

Neben der finanziellen Relevanz gibt es auch die Relevanz der Auswirkungen für Investoren. Was Unternehmen betrifft, beschreiben die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte4, wie Länder und Firmen die Menschenrechte wahren sollten.

Die Regierungen der einzelnen Länder haben die Pflicht, die Menschenrechte zu schützen und die Rahmenbedingungen (Gesetze) für Unternehmen festzulegen. Sie sollten Unternehmen wirksame Leitlinien an die Hand geben, wie sie die Menschenrechte in ihrer gesamten Geschäftstätigkeit achten können, und Unternehmen dazu ermutigen und gegebenenfalls dazu verpflichten, über den Umgang mit ihren Auswirkungen auf die Menschenrechte zu berichten. Unternehmen sollten die Menschenrechte achten und Zugang zu Rechtsmitteln gewähren.

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Quelle: UN Guiding Principles on Business and Human rights

Beispielsweise trat am 25. Juli die EU-Richtlinie über die unternehmerische Sorgfaltspflicht in Kraft. Die neuen Vorschriften sollen sicherstellen, dass die betroffenen Unternehmen die negativen Auswirkungen ihrer Aktivitäten auf die Menschenrechte und die Umwelt innerhalb und außerhalb Europas, einschließlich ihrer Lieferketten, ermitteln und beheben. Mehr Transparenz in diesem Bereich wird in den kommenden Jahren zu einer genaueren Überwachung durch den Markt und damit zu einer höheren Relevanz für Investoren führen.

Wie kann ein Asset Manager die Menschenrechte respektieren?

Der direkte Einfluss, den wir als Investoren ausüben, ist sehr begrenzt. Die EU-Richtlinien für Berichterstattung und Due Diligence konzentrieren sich nach wie vor stark auf die direkten Auswirkungen von Unternehmen (in ihren Lieferketten) und sind für den Finanzsektor weniger relevant. Wir möchten die EU dazu ermutigen, branchenspezifische Leitlinien zu entwickeln, um diese Richtlinien für uns relevanter zu machen.

Die neuen Regeln sollen sicherstellen, dass Unternehmen die negativen Auswirkungen ihres Handelns angehen

Asset Manager erzielen ihre Wirkung meist indirekt durch das Management von Portfolios aus börsennotierten Aktien oder Anleihen. Die Beiträge unserer Datenlieferanten und unsere eigenen Untersuchungen können die wichtigsten sozialen Probleme aufzeigen, denen unsere Portfolios im Rahmen ihrer eigenen Aktivitäten und in ihren Lieferketten ausgesetzt sind.

Probleme angehen

Als Investoren können wir diese Probleme auf verschiedene Weise angehen. Wir können Unternehmen ausschließen, die in schwere soziale Verstöße verwickelt sind. Wir können aber auch mit diesen Unternehmen zusammenarbeiten, um diese Verstöße abzustellen oder allgemein die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte umzusetzen. Wir bei Robeco tun beides.

Wir sollten finanziell relevante soziale Probleme strukturell in die Anlageentscheidungen einbeziehen. Und es können spezifische soziale (wirkungsorientierte) Anlagestrategien umgesetzt werden, wie wir das mit Strategien wie Robeco Gender Equality, Fashion Engagement und Sustainable Healthy Living tun.

Insgesamt bin ich fest davon überzeugt, dass Investoren soziale Probleme sowohl aus finanzieller als auch aus rechtlicher Sicht (Relevanz der Auswirkungen) berücksichtigen können und sollten. Die (weichen) rechtlichen Anforderungen, die Rahmenbedingungen und die Daten sind vorhanden, um aktiv zu werden – es ist nur eine Frage des Willens.

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Fußnoten