Die staatliche Finanzierungslücke zur Erreichung der UNO-Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals – SDGs) bis 2030 beläuft sich auf jährlich 2,6 Billionen USD oder 2,7 % der globalen Wirtschaftsleistung. Staatliche Kreditaufnahme kann ein Weg zur Finanzierung nachhaltiger Entwicklung sein, aber es gibt nur wenig Research zu ihrer Rolle in diesem Bereich.
Um diese Lücke zu schließen, hat Robeco ein Rahmenwerk entwickelt, das die Länder hinsichtlich ihrer SDG-Politik, ihres Finanzbedarfs für nachhaltige Entwicklung und ihrer Nachhaltigkeitsziele evaluiert. Diejenigen Länder, welche diese Kriterien erfüllen, werden vorrangig in zwei hypothetische auf die SDGs ausgerichtete Staatsanleihenportfolios aufgenommen.
Das neue Rahmenwerk führt eine dreistufige Bewertung durch, bei der 170 Länder SDG-Scores erhalten, die von -3 (sehr negativ) über 0 (neutral) bis +3 (sehr positiv) reichen. Im ersten Schritt messen wir die SDG-bezogenen Maßnahmen eines Landes anhand von 71 Indikatoren, die mit SDG-Zielen verknüpft sind. Für das SDG 3 (Gesundheit und Wohlergehen) beispielsweise können wir Indikatoren wie die Müttersterblichkeit und das Verhältnis zwischen Gesundheitsausgaben und BIP verwenden. Im Hinblick auf SDG 8 (Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum) können wir die Rechte von Kindern am Arbeitsplatz bewerten.
Im zweiten Schritt wird untersucht, ob die Länder zusätzliches Kapital benötigen, um die SDGs zu erreichen. Wir berücksichtigen die Höhe des Durchschnittseinkommens und das Korruptionsniveau. Länder mit niedrigerem Einkommen und mäßiger oder geringer Korruption erhalten einen Score von +1, was auf den Bedarf an mehr Kapital hinweist. Im dritten Schritt halten wir Ausschau nach Verhaltensweisen, die den SDGs zuwiderlaufen. Faktoren wie schlechte Governance, autokratische Herrschaft, Sanktionen, Verletzung politischer Rechte und hohe politische Instabilität wirken sich negativ auf den Score aus. Dieser kann dann von -1 bis -3 reichen.
Die SDG-Scores
Von den 170 analysierten Ländern erhielten 34 % einen positiven Score, 22 % einen neutralen Score und 44 % einen negativen Score. Unter den Ländern mit positiven Scores erhielten 14 die höchste Punktzahl von +3. 24 erhielten einen Score von +2 und 19 wurden mit +1 bewertet. Die gesamte Verteilung ist in der folgenden Grafik dargestellt.

Quelle: Robeco. Dieses Diagramm zeigt, wie die SDG-Scores von Robeco weltweit verteilt sind. Länder, die in dunkleren Farben dargestellt sind, weisen positivere Scores auf als Länder in helleren Farbtönen. Länder, für die aufgrund fehlender Daten kein Score vorliegt, sind in grau dargestellt. Stand: 2022.
Wie schneiden Unternehmen und Länder in punkto Nachhaltigkeit ab?
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Wichtig ist, zwischen den länderspezifischen SDG-Scores von Robeco und den ESG-Scores zu unterscheiden. Ironischerweise erhalten Länder, die beträchtliche Fortschritte bei der Erreichung der Ziele gemacht haben und einen höheren Wohlstand und bessere ESG-Bewertungen aufweisen, gemäß diesem Rahmenwerk oft nur neutrale SDG-Bewertungen. Dies spiegelt die SDG-Scoringmethodik wider, die darauf abzielt, Ländern mit sehr guter Politik und hohem Finanzbedarf gerecht zu werden, anstatt nur den aktuellen Stand der SDG-Zielerreichung zu bewerten.
Anhand all dieser Informationen haben wir dann zwei hypothetische Strategien entwickelt: ein „SDG Core“-Portfolio mit relativ geringem Ausfallrisiko und hoher Liquidität und ein „SDG Focus“-Portfolio mit höherem Ausfallrisiko, aber höherer erwarteter Rendite.
Zur Erstellung dieser Portfolios wird ein weiteres dreistufiges Verfahren verwendet. Zunächst wird eine Liste der für jedes Land verfügbaren Staatsanleihen erstellt. Dann wenden wir eine Gewichtungssystematik an, um festzustellen, welche davon auf Grundlage ihrer SDG-Scores als Anlagekandidaten in Frage kommen. Abschließend legen wir die Gewichtung der Anleihen im Portfolio fest. Die Ergebnisse waren bei beiden Portfolios überraschend.
„SDG Core“-Portfolio
Der wichtigste Maßstab für „sicher und liquide“ ist hier, ob der Staat als „sicherer Hafen“ gilt, wie Deutschland, Japan, Großbritannien oder die USA. Wir fügen dann Länder mit AAA- oder AA-Rating und einem Anleihemarktwert von mindestens 50 Mrd. US-Dollar hinzu, was zu einer Gruppe von 21 Ländern führt.
Für die SDG-Scores wurden die Länder mit einer negativen oder neutralen Bewertung aussortiert. Dadurch wurden 13 der 21 Länder – einschließlich der enorm großen Anleihenmärkte der USA und Japans – ausgeschlossen. Dieser Schritt hat daher erhebliche Auswirkungen auf das Portfolio. Denn wenn wir nur die drei Länder mit negativen Scores ausgeschlossen hätten, wären die USA und Japan wieder aufgenommen worden.
Bei der Festlegung der Portfoliogewichtung wollen wir relativ mehr in Anleihen mit höherem SDG-Score investieren und gleichzeitig berücksichtigen, dass größere Anleihemärkte über mehr Anlagekapazität und Liquidität verfügen. Um dies zu erreichen, verwenden wir einen Multiplikator von 1,00 für einen SDG-Score von +3, einen Multiplikator von 0,50 für einen SDG-Score von +2 und einen Multiplikator von 0,25 für einen SDG-Score von +1. Um ausreichende Diversifizierung zu gewährleisten, beträgt die maximale Gewichtung eines einzelnen Lands 25 %.
Das sich daraus ergebende SDG Core-Portfolio ist in der folgenden Grafik dargestellt. Auf Großbritannien, Frankreich und Deutschland entfällt jeweils der Maximalanteil von 25 %. Dänemark, das einzige Land mit einem SDG-Score von +2, hat einen Anteil von 7,7 %. Dementsprechend ist dieses Portfolio stark auf europäische Staatsanleihen ausgerichtet.

Quelle: Robeco. Länderspezifische SDG-Scores, Stand: 2022
„SDG Focus“-Portfolio
Beim „SDG Focus“-Portfolio liegt der Schwerpunkt viel stärker auf den SDGs selbst, während Sicherheit, Liquidität und Bonitätsanforderungen zweitrangig sind. Dies führt zu einem risikoreicheren Portfolio, das alle Staaten mit Ausnahme derjenigen, die sich bereits für das „SDG Core“-Portfolio qualifizieren, umfasst.
In diesem Fall muss der Anleihenmarkt des Landes ein Volumen von mindestens 1 Mrd. USD haben. Anleger, die mehr Wert auf Liquidität legen, können einen alternativen Schwellenwert verwenden, bei dem die Mindestgröße des Anleihemarktes auf 10 Mrd. USD ansteigt. Die Mindestbonität sollte B3 oder besser sein (d.h. nicht mit C beginnen), um Länder zu vermeiden, die kurz vor der Zahlungsunfähigkeit stehen. Damit verbleiben 71 Länder, die für eine Aufnahme in das Portfolio in Frage kommen.
Um ein Portfolio mit maximalem positiver Ausrichtung auf die SDGs zu bilden, nehmen wir nur Länder mit Scores von +2 oder +3 auf. Dadurch wird die Auswahl weiter von 71 auf 22 in Frage kommende Länder reduziert. Obwohl 67 Länder einen Score von +2 oder +3 haben, verfügen nur 22 von ihnen über funktionierende Anleihemärkte. Leider sind nur ein Drittel der Länder, die aus Sicht der SDGs ein Investment rechtfertigen, für Anleger zugänglich.
Was die Gewichtung betrifft, multiplizieren wir die Gesamtkapitalisierung des Anleihemarktes eines Landes mit einem Faktor von 1,00 bei einem SDG-Score von +3 bzw. 0,50 bei einem SDG-Score von +2. Das Mindestgewicht beträgt 2 % und die maximale Gewichtung 10 %. Das sich daraus ergebende „SDG Focus“-Portfolio ist in der folgenden Grafik dargestellt. Es umfasst nun weit mehr Schwellenländer, darunter Länder aus Afrika, Südamerika und Asien, aber auch weiter entwickelte Länder wie Portugal.
Zusammensetzung des „SDG Fokus“-Portfolios
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Quelle: Robeco. Länderspezifische SDG-Scores, Stand: 2022
Zusammenfassend lässt sich zeigen, wie die Integration der SDGs in Staatsanleihen-Strategien dazu beitragen kann, die Ziele voranzubringen – trotz der Herausforderungen, die sich durch ein nur kleines Universum investierbarer Länder ergeben. Ein solcher Ansatz kann Ländern den Zugang zu Kapital erleichtern, die SDG-Finanzierungslücke schließen und positive Ergebnisse für eine nachhaltige Entwicklung fördern.
Dieser Artikel ist ein Auszug aus einem Spezialbeitrag in unserem 5-Jahresausblick.
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