Die Wall Street erlebt seit Jahresstart 2023 erneut eine anhaltende Rally, weshalb wir glauben, dass der ideale Zeitpunkt gekommen ist, um defensive Strategien im Gesamtkontext, der oft übersehen wird, nochmals genau zu betrachten. Zwar können die Renditen defensiver Aktien in Haussemärkten nicht immer mit ihren zyklischen Pendants mithalten, doch bieten sie einen hohen Mehrwert für das Gesamtportfolio. Ihre nicht zu unterschätzende Stärken liegen darin, Abwärtsrisiken und Gesamtvolatilität des Portfolios zu senken, stabile Dividendeneinnahmen zu generieren und das Portfolio stärker zu diversifizieren.
Vor diesem Hintergrund wollen wir uns eingehender mit dem Konzept der Marktüberreaktion befassen, indem wir untersuchen, wie sich defensive und zyklische Aktien nach einer relativen 5-Jahres-Performance in den darauffolgenden 5 Jahren entwickeln. Unsere Analysen deuten darauf hin, dass defensive Aktien nach einer Phase der Underperformance wieder an Fahrt gewinnen, weshalb Anleger, die gegen den Marktrend investieren, von zyklischen Überreaktionsmustern profitieren können.
Defensive versus zyklische Renditen verstehen
Um dieses Phänomen zu verstehen, unterteilen wir den Markt in zwei Kategorien: zyklische und defensive Aktien. Dabei verwenden wir einen datengestützten Ansatz, da die zyklische/defensive Klassifizierung von Branchen (GICS) für längere Stichprobenzeiträume, die mehr als 50 Jahre zurückreichen, nicht sinnvoll wäre. Eine Analyse der Performance über die verschiedenen Marktzyklen hinweg von Januar 1929 bis Mai 2023 zeigt, dass sich defensive Aktien weniger volatil entwickeln und ein geringeres Risikoprofil aufweisen als zyklische Aktien.
Während defensive Aktien in unserer umfassenden Stichprobe insgesamt besser abschneiden als zyklische Aktien, ist dies im Zeitverlauf nicht durchgehend der Fall. So erzielen beide Kategorien in etwa 50 % der Zeit jeweils eine Outperformance gegenüber der jeweils anderen Kategorie – mit teils deutlichen und langanhaltenden Performanceunterschieden. Die nachstehende Abbildung zeigt die relative Performance im Zeitverlauf, wobei die Zyklen dadurch definiert sind, wann der jeweilige Anlagestil ein relatives Allzeithoch erreicht. Die Performance-Zyklen, die sich dadurch kennzeichnen, dass über einen Zeitraum von mindestens 2,5 Jahren eine Renditedifferenz von mehr als 25 % erzielt wird, dauern in der Regel zwischen 3 und 10 Jahren.
Abbildung 1 – Relative Performance von defensiven und zyklischen Aktien über den gesamten Stichprobenzeitraum (Januar 1929 bis Mai 2023)
Quelle: Robeco, 2023.
Langfristige Umkehr
In unserer Gesamt-Stichprobe erzielten defensive Aktien in 51 % der vergangenen 5-Jahres-Zeiträume eine Outperformance gegenüber zyklischen Aktien, und in 49 % der Zeiträume war es umgekehrt, was eine weitgehend gleichmäßige Verteilung erkennen lässt. Nach einem 5-Jahres-Zeitraum, in dem zyklische Aktien eine starke Performance erzielt haben, bevorzugten Anleger in den darauffolgenden 5 Jahren üblicherweise defensive Aktien. Zudem erzielten defensive Aktien ein positives Alpha – das die risikobereinigten Renditen misst – von 3,8 %, während das Alpha bei zyklischen Aktien mit -3,6 % im negativen Bereich lag. Zudem haben wir festgestellt, dass sich defensive Aktien weiter gut entwickeln, nachdem sie eine Rally erlebt haben, jedoch tendenziell um 1,3 % etwas schlechter abschneiden als ihre zyklischen Pendants. Für die Aktienmärkte insgesamt ist ein solches Umfeld positiv, während die Alpha-Differenz mit 5,0 % relativ hoch bleibt. Eine Analyse der Renditen, die in einem 5-Jahres-Zeitraum erzielt werden, der auf die letzten 3 bis 7 Jahre folgt, kommt zu ähnlichen Ergebnisse.
Quelle: Robeco, 2023
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Unsere Analysen zeigen, dass die Aktienmärkte in den Jahren, die auf einen 5-Jahres-Zeitraum mit hohen Renditen bei zyklischen Aktien folgen, insgesamt etwas niedrigere Renditen abwerfen. Daher kann die relative Performance von Low Risk-Aktien auch als Indikator für einen Einstiegspunkt verwendet werden, auch wenn ein Bewertungshorizont von 5 Jahren für die meisten Anleger zu lang sein dürfte.
Kürzere Stichprobe und optimierte Low Volatility-Strategien
Um die Robustheit der Analysen zu gewährleisten, haben wir auch die jüngsten Daten auf Muster der Mittelwertumkehr hin untersucht, darunter die Daten der Conservative Equities-Strategie von Robeco, die so konzipiert ist, dass sie weniger empfindlich auf den defensiven/zyklischen Zyklus reagiert. Anhand dieser Stichprobe, die sich auf jüngere und kürzere Zeiträume bezieht, stellen wir fest, dass Rallies bei zyklischen Aktien häufiger auftraten und mit einem deutlichen Überreaktionsmuster einhergingen. So schneiden defensive Aktien nach einer 5-Jahres-Rally bei zyklischen Aktien tendenziell gut und nach einer 5-Jahres-Rally bei defensiven Aktien tendenziell schlecht ab. Unsere Conservative Equities-Strategie, die anhand verschiedener Faktoren die besten defensiven Aktien auswählt, zeigt ein ähnliches Muster und entwickelt sich nach einer zyklischen Rally typischerweise ebenfalls gut.
Diese Erkenntnis bestätigt frühere Studien, die zeigen, dass die Aktienmärkte zu Überreaktionen neigen, wobei die relative 5-Jahres-Performance zyklischer Aktien eine Kurskorrektur gegenüber defensiven Aktien aufweist. Allerdings ist es nicht ganz einfach, diese Erkenntnisse zu nutzen, da eine taktische Zuteilung basierend auf langsamen Signalen und begrenzten Möglichkeiten erforderlich wäre. Darüber hinaus fehlt vielen Anlegern eine „ruhige Hand“, weshalb sie oft vorzeitig aus ihren Investments aussteigen, was wiederum Phasen einer Underperformance nach sich zieht, auf die später dann wieder eine Erholung folgt. Nach der jüngsten Underperformance defensiver gegenüber zyklischen Aktien in den letzten 3 bis 7 Jahren ist der Ausblick für Anleger in defensiven Aktien demzufolge vielversprechend, während sich für andere potenziell ein günstiger Einstiegspunkt bietet.