Der technologische Fortschritt hat neue Horizonte auf diesem Gebiet eröffnet. Können Sie uns sagen, wie und wann wir mit der Integration alternativer Signale in unsere Strategien begonnen haben? In welchem Umfang wird quantitatives Investieren der nächsten Generation in unseren Strategien bereits umgesetzt?
„Unsere wichtigsten Modelle berücksichtigen bekannte Faktoren wie Value, Momentum und Quality, die wir als Renditefaktoren einstufen, und außerdem Low-Risk für die konservative Strategie. Nach konsequenter Analyse, wie wir diese Faktoren erweitern können, begannen wir 2009 mit der Einbeziehung alternativer Signale durch Anwendung unseres Timing-Indikators in unseren erweiterten Indexstrategien. Mit diesem Indikator, der im Allgemeinen auf sich schneller bewegenden und innovativen Signalen beruht, können wir den optimalen Zeitpunkt für den Kauf und Verkauf von Aktien besser bestimmen, nachdem unser wichtigstes Modell attraktive Titel identifiziert hat.“
„Zunächst haben wir dieses Timing-Signal mit 10 % gewichtet und unsere Strategie schrittweise um weitere Komponenten ergänzt. Diese Elemente bieten erhebliches Potenzial und Diversifizierungsvorteile. Zum Beispiel kann unser wenig mit traditionellen Faktoren korrelierter Timing-Indikator Drawdowns verringern und das Risiko-Rendite-Verhältnis verbessern. Weil sich diese Signale aber schnell bewegen, können sie bei zu starker Gewichtung zu hoher Umschlagshäufigkeit und zu hohen Handelskosten führen.“
„Um die Nettorendite zu maximieren, haben wir an der Optimierung des Timing-Indikators und der Handelskosten gearbeitet. So konnten wir das Gewicht des Indikators 2017 auf 20 % und bis heute weiter auf 25 % erhöhen. Ende letzten Jahres legten wir Quantum auf, unsere eigenständige Strategie der nächsten Generation, die auf Research und einem ursprünglich 2009 entwickelten Modell basiert.“
„Was ganz neue Signale angeht, gehört zu den jüngsten Entwicklungen der Einsatz von maschinellem Lernen. Zunächst ging es dabei um die Vorhersage von Risiken, speziell von Ausfallrisiken, d. h. zu erkennen, welche Aktien wahrscheinlich an Wert verlieren werden. Maschinelles Lernen ist hier unglaublich effizient, vor allem, wenn man die Systeme mit verschiedenen risikobezogenen Variablen füttert.“
„Maschinelles Lernen kann man auch einsetzen, um Interaktionseffekte auszunutzen, was wirklich spannend ist. Nehmen wir zum Beispiel den kurzfristigen Umkehreffekt, bei dem Aktien, deren Kurse in den letzten Wochen gefallen sind, sich häufig wieder erholen. Maschinelles Lernen hilft uns bei der Feinabstimmung der betreffenden Strategien, weil es zusätzliche Aspekte wie die Liquidität dieser Aktien berücksichtigt.“
„Um das Jahr 2019 haben wir mit der Verwendung eines Signals aus der Verarbeitung natürlicher Sprache (Natural Language Processing, NLP) begonnen, um die Stimmung in Nachrichten in Scores umzuwandeln. Dieses Signal kann die – positive oder negative – Stimmung in den Nachrichten beurteilen. Wir erweitern jetzt die Verwendung von NLP, um Abschriften und sogar Audiodateien von Bilanz-Telefonkonferenzen zu analysieren – und zwar nicht nur die Wörter, sondern auch den Ton und Tonfall.“
Wie erweitern Sie die Signale in Ihren Strategien, um Risiken zu mindern?
„Ein Beispiel sind Revisionen von Analysten, also die Korrektur von Unternehmensgewinnen nach oben oder unten. Analysten sind allerdings voreingenommen und bevorzugen meist wachstumsstarke Large-Cap-Aktien. Wir versuchen, diese Voreingenommenheit zu neutralisieren, was uns bisher geholfen hat, Risiken zu mindern und die Renditeeigenschaften zu verbessern.“
„Wir untersuchen solche Dinge im Rahmen unseres wissenschaftlichen Research. Gute Beispiele dafür sind unser Papier zu ‚Restmomentum‘ und unser Papier zu Value und Ausfallrisiken. In Letzterem führen wir aus, wie man die Value-Prämie vereinnahmen und Ausfallrisiken aus der Strategie herausnehmen kann. In unserer aktiven Low-Risk-Strategie, Conservative Equities, verwenden wir Signale zum Ausfallrisiko, die uns helfen, Unternehmen mit niedrigem Risikoprofil auszuwählen. Wir verwenden diese Signale auch in unseren Renditestrategien, um Aktien von Unternehmen mit besonders hohem Konkursrisiko zu meiden.“
Wie stellen Sie sicher, dass auf Basis dieser Datensätze entwickelte, neue Signale robust sind?
„Wir verfügen zwar über eine Fülle von äußerst vielfältigen Datensätzen. Davon kommen aber nicht alle in Betracht. Wir wählen Datensätzen sorgfältig aus und achten darauf, dass diese glaubwürdig sind und einen Mehrwert für unsere Strategien bringen können. Und wir analysieren neue Datensatz-Bereiche, die von Patentdaten bis zu Daten aus Finanzblogs reichen können.“
„Es stimmt, dass die Historie vieler neuer Signale nicht sonderlich lange ist. Häufig genügt dies aber für unsere Anforderungen. Als wir z. B. 2006 mit der Untersuchung von Emerging Markets begannen, waren die Daten nicht so umfangreich und von so hoher Qualität wie die, die uns für Industrieländer vorlagen. Sie waren aber gut genug, um mit unserem Research zu beginnen. Und als wir tiefer in die Materie eintauchten, haben wir mehr gelernt und konnten die Qualität der Daten im Laufe der Zeit verbessern.“
„Um sicherzustellen, dass die neuen Signale wirklich robust sind, lassen wir uns normalerweise von wissenschaftlicher Literatur inspirieren und konzentrieren uns vor allem auf die USA. Diese Signale untersuchen wir dann in anderen Regionen. Zum Beispiel könnte Europa einen aussagekräftigen Test außerhalb der Stichprobe liefern, auch wenn für Emerging Markets weniger Daten vorliegen. Wir schauen uns auch an, wie sich diese Signale unter verschiedenen Marktbedingungen verhalten. Für einen bestimmten Zeitraum – auch wenn dieser nur kurz ist – analysieren wir, wie sich das Signal in verschiedenen Marktphasen wie etwa einer Hausse, einer Baisse oder in Zeiten hoher Volatilität verhalten hat. Es ist sehr wichtig zu verstehen, wie diese Signale in verschiedenen Szenarien reagieren.“
„Ein weiterer hochinteressanter Aspekt ist der sogenannte ‚übergreifende Alpha-Test‘. Dabei prüfen wir, ob die neuen Datensätze etwas bieten, das über das, was wir bereits haben, hinausgeht. Wir wollen das Rad nicht neu erfinden. Manchmal liefert eine neue Variable lediglich bereits vorhandene Informationen in anderer Verpackung. Das würden wir dann vermutlich nicht weiterverfolgen. Manchmal stellen wir aber auch fest, dass eine neue Variable einzigartig und wertvoll ist. Das ist ein schwer zu bestehender Test, weil unsere vorhandenen Modelle schon ziemlich solide sind.“
Können Sie Beispiele für neue, nachhaltigkeitsbezogene Signale nennen, die bei quantitativem Investieren der nächsten Generation verwendet werden?
„Zwei Signale, die wir seit kurzem verwenden, sind das Engagement von Mitarbeitenden und Ressourceneffizienz als Nachhaltigkeitselemente. Das Engagement von Mitarbeitenden ist ein wirklich interessanter Faktor. Bspw. können Mitarbeitende ihre Unternehmen auf Plattformen wie Glassdoor bewerten und dort ihre Zufriedenheit oder Unzufriedenheit zum Ausdruck bringen. Besser bewertete Unternehmen haben meist eine motivierte und produktive Belegschaft. Wir haben eine Korrelation zwischen zufriedenen Mitarbeitenden und gemessen an den Arbeitskosten höheren Umsätzen festgestellt. Interessanterweise sind auch die zukünftigen Aktienrenditen der betreffenden Unternehmen häufig höher. Das ist ein mit der ‚sozialen‘ Komponente von ESG verbundenes Alpha-Signal: durch die Zufriedenheit der Mitarbeitenden.“
„Ressourceneffizienz ist dagegen eher ein umweltbezogener Faktor im Rahmen von ESG. Denken Sie an Fluggesellschaften mit sehr treibstoffsparenden Flugzeugen. Natürlich sind ihre Kosten niedriger, und sie verbrauchen weniger Ressourcen, was ihnen einen Wettbewerbsvorteil verschaffen sollte. Wir dachten, dies dürfte auch für andere ressourcenintensive Sektoren wie Energie, Versorgung, Automobile und die Industrie gelten. Messen lässt sich dies z. B., indem man die CO2-Emissionen (stellvertretend für den Ressourcenverbrauch) mit dem Umsatz eines Unternehmens vergleicht. Bei unserer Analyse haben wir festgestellt, dass die zukünftigen Aktienrenditen ressourceneffizienter Unternehmen (mit gemessen am Umsatz geringen Emissionen) tatsächlich oft höher sind. Außerdem verursachen sie weniger CO2-Emissionen, was mit Blick auf Nachhaltigkeit positiv ist.“
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Wie schwierig ist es, Kunden zu überzeugen, diese Entwicklung im Bereich quantitatives Investieren mitzugehen?
„Wir beziehen unsere Kunden aktiv in unseren Prozess und unsere Methoden ein, sodass sie auch zu unseren Kernmodellen beitragen. Und wir informieren sie umfassend über unser Research und unsere Fortschritte. Ferner bieten wir Transparenz in Bezug auf unseren Prozess und die von uns betrachteten Elemente, sodass unsere Kunden auf die Reise mitgenommen werden.“
Machen all diese Entwicklungen es schwerer, seinen Vorsprung zu behalten?
„Wir glauben, dass unsere langjährige Tätigkeit auf diesem Gebiet uns einen Vorteil verschafft; denn wir haben Erfahrung bei der Durchführung von gründlichem Research, und wir streben ein optimales Gleichgewicht zwischen etablierten Faktoren und innovativen Datensätzen an und verbinden so traditionelle Daten mit neu aufkommenden Signalen.“
„Umschlagshäufigkeit und Handelskosten, die in der wissenschaftlichen Literatur oft übersehen oder als ‚in Stein gemeißelt‘ angesehen werden, sehen wir uns genau an. Bei sich langsam bewegenden Strategien sind die Auswirkungen gering. Aber insbesondere bei den neueren und sich schneller bewegenden Signalen ist das bestenfalls naiv und schlimmstenfalls Verschwendung.“
„Man muss über eine intelligente Strategie der Neuausrichtung nachdenken – eine intelligente Handelsstrategie. Gemeinsam mit Weili Zhou, unserem Head of Quant Equity, haben wir Papiere zur Umsetzung von Strategien verfasst, die Handelskosten auf intelligente Weise berücksichtigen und nach Abzug von Handelskosten verfolgt werden können.“
Und wie wollen wir schließlich unsere Position als innovatives Unternehmen auch in Zukunft halten?
„Wir verwenden neue alternative Datensätze nicht ohne gründliche Prüfung. Das bleibt auch in Zukunft so. Und wir beziehen Signale nicht ein, nur um innovativ zu erscheinen. Wir machen das, weil wir überzeugt sind, dass sie einen Mehrwert bringen. Wir wollen diversifiziertes Alpha generieren, indem wir uns neben altbekannten auf mehrere neue Signale konzentrieren. Wenn ein bestimmter Ansatz zur Diversifizierung beiträgt, Alpha erhöht oder das Risikoprofil verbessert, sind wir sehr daran interessiert, ihn umzusetzen. Allerdings werden wir immer das richtige Gleichgewicht anstreben und die Handelskosten gebührend berücksichtigen, weil sie ein entscheidender Aspekt unserer Strategie sind.“
Eine Auswahl an alternativen Signalen
Kurzfristige Umkehrkomponente: Hier geht es um Aktien, bei deren Performance eine kurzfristige Umkehr zu erkennen ist.
Liquiditätseigenschaften: Wir sehen uns auch Aktien an, deren Liquiditätsprofil sich verbessert hat, was wir als positives Zeichen bewerten.
Informationen vom Wertpapierleihemarkt: Wir verwenden Informationen vom Wertpapierleihemarkt für Leerverkäufe, und sehen in umfangreichen Leerverkäufen einer Aktie ein negatives Zeichen.
Web-Script-Daten (Stellenangebote): Wir beobachten die Zahl offener Stellen in Unternehmen und betrachten eine Zunahme als Hinweis auf zukünftiges Wachstum.
Nachhaltigkeitsbezogene Informationen: Seit 2010 berücksichtigen wir Informationen zur Nachhaltigkeit im Rahmen des Themas Quality.
Informationen vom Unternehmensanleihemarkt: Wir verwenden die Performance der Anleihen eines Unternehmens, um zukünftige Aktienrenditen vorherzusagen, und umgekehrt.
Stimmung in den Nachrichten: Wir analysieren, was für Nachrichten über ein Unternehmen veröffentlicht werden, und betrachten eher positive Nachrichten als ein gutes Zeichen für die zukünftigen Aktienrenditen.
Techniken des maschinellen Lernens zur Vorhersage von Ausfallrisiken: Wir setzen Techniken des maschinellen Lernens ein, um das Konkursrisiko eines Unternehmens vorherzusagen.
Auch wenn die Besonderheiten jedes einzelnen Signals und dessen Verwendung variieren, besteht unser Ziel insgesamt darin, das Risiko-Rendite-Profil des Portfolios zu verbessern.