36 Finanzunternehmen, darunter Robeco, haben die Internationale Meeresbodenbehörde (ISA) in einem gemeinsamen Schreiben aufgefordert, die Erteilung von Genehmigungen zum Ausbaggern wertvoller Mineralien aus dem Meeresboden auszusetzen. In ihrer „Erklärung an die Regierungen zum Thema Tiefseebergbau“ weisen die globalen Finanzunternehmen darauf hin, dass die mit dem Tiefseebergbau verbundenen ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Risiken nicht umfassend geklärt sind.
Robeco hält Beteiligungen an einigen wenigen Unternehmen, die sich möglicherweise indirekt am Tiefseebergbau beteiligen, indem sie Dienstleistungen oder Finanzierungsmittel für die reinen (direkten) Bergbauunternehmen bereitstellen, und will mit den beiden größten betreffenden Portfoliounternehmen den Dialog über dieses Thema eröffnen. Indessen soll ein kompletter Ausschluss erst dann in Erwägung gezogen werden, wenn alle Fakten bekannt sind.
Im Tiefseebergbau wird nach wertvollen, knappen Mineralien gesucht, darunter Silber, Kupfer, Zink, Mangan und sogar Diamanten. Besonders dringend wird dabei beispielsweise nach Kobalt gesucht, weil es in Batterien für Elektroautos verwendet wird und an Land nur begrenzt vorhanden ist. Sowohl Kobalt als auch Kupfer gelten als unabdingbar für die grüne Transformation.
Wertvolle Mineralvorkommen
Die Abbaustätten liegen üblicherweise in der Nähe der hydrothermalen Schlote erloschener Unterwasservulkane in einer Tiefe von 1.400 bis 3.700 Metern unter der Meeresoberfläche. In diesen Schloten befinden sich riesige Vorkommen an wertvollen Metallen in Form von Sulfiden, die mit Förderschiffen an der Oberfläche vom Meeresboden abgetragen werden können.
Die Ablagerungen werden mit Hydraulikpumpen und Schaufeln an die Oberfläche gebracht. Da dafür Maschinen eingesetzt werden, die eine enorme Reichweite haben, können ganze Lebensräume in der Tiefsee zerstört werden, was den Verlust von Arten zur Folge hat, von denen viele nirgendwo sonst leben. Zudem werden Struktur und Funktion ganzer Ökosysteme fragmentiert oder zerstört. Die Fördermaschinen stellen auch eine erhebliche Verschmutzungsgefahr dar – sowohl im Meer selbst als auch an seiner Oberfläche.
Durch den Tiefseebergbau werden jährlich potenziell Millionen Tonnen an Sedimenten am Meeresboden zerstört. Dadurch wird CO₂, das sich über Millionen von Jahren angesammelt hat, in den marinen Kohlenstoffkreislauf freigesetzt. Als Unterzeichner des „Finance for Biodiversity Pledge“ haben sich die Finanzunternehmen, die das Moratorium fordern, verpflichtet, durch ihre Investitions- und Finanzierungsaktivitäten zum Schutz und zur Wiederherstellung der biologischen Vielfalt und der Ökosysteme beizutragen.
Unter Wissenschaftlern herrscht weitverbreitete Sorge
„Unter Wissenschaftlern herrscht weitverbreitete Sorge um die möglichen irreversiblen Auswirkungen des Tiefseebergbaus auf die Meeresökosysteme“, erklärt Lucian Peppelenbos, Klima- und Biodiversitätsstratege bei Robeco. „Wir können es uns nicht leisten, dieses Risiko blind einzugehen, denn der Ozean ist die größte CO₂-Senke, die wir haben.“
„Auf der anderen Seite könnten wir die Metalle aus der Tiefsee gut brauchen, weil auch der Abbau an Land an seine Grenzen stößt und der Tiefseebergbau dazu beitragen könnte, die für die Umstellung auf Netto-Netto benötigten Mineralien zu beschaffen. Ob dies tatsächlich der Fall ist, ist bislang jedoch noch unklar.“
„Als Unterzeichner des Finance for Biodiversity Pledge setzen wir uns dafür ein, mit diesem Dilemma nach dem Vorsorgeprinzip umzugehen. Es liegt auf der Hand, dass wir starke Innovationen brauchen und Neuland betreten müssen, um den Umstieg auf Netto-Null zu schaffen. Andererseits können wir diese gewaltigen natürlichen Tiefseeschätze nicht erschließen, bevor wir die damit einhergehenden Risiken nicht umfassend verstehen und wissen, wie wir sie steuern können.
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Wirtschaftliche Tragfähigkeit ist fraglich
Abgesehen von den Umweltrisiken und den daraus resultierenden Regulierungs- und Reputationsrisiken für jedes Unternehmen, das in ein Bergbauunternehmen investiert, ist gar nicht geklärt, ob der Tiefseebergbau wirtschaftlich überhaupt rentabel ist.
„Es gibt (noch) keine etablierte Wissenschaft oder Vorschriften für die Exploration von Ressourcen am Meeresboden“, so Sylvia van Waveren, Engagement-Expertin bei Robeco. „Außerdem gibt es bislang auch keine etablierte Technologie, die eine Skalierbarkeit ermöglicht – bisher werden nur Pilotprojekte durchgeführt.“
„Wir sind in diesem Bereich nur sehr geringfügig exponiert. Allerdings glauben wir, dass sich Finanzunternehmen mit einer Positionierung im Tiefseebergbau beträchtlichen politischen, regulatorischen und Reputationsrisiken aussetzen. Wir werden den Bereich deshalb erst dann in Betracht ziehen, wenn die ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Risiken und Chancen umfassend geklärt sind.“
Bislang keine Ausschlüsse
Wir führen jedoch vorerst keine Ausschlüsse für Unternehmen ein, die in diesem Bereich agieren. „Wir sehen von einem Ausschluss vor allem deshalb ab, weil es noch zu viele Fragezeichen gibt und es an Daten mangelt. Zudem werden Metalle und Mineralien aus dem Meeresboden möglicherweise dringend für die globale Energiewende benötigt“, erklärt Van Waveren.
„Der richtige Weg besteht unseres Erachtens darin, mit den betreffenden Unternehmen einen konstruktiven Dialog zu führen, der uns hilft, wichtige Erkenntnisse und wissenschaftliche Ergebnisse zu erfassen und die Herausforderungen, offenen Fragen und bestehende Risiken und Chancen besser zu verstehen.“
„Wir werden sehr bald mit zwei der Unternehmen, die wir in unseren Portfolios halten und die derzeit an Pilotprojekten im Bereich Meeresbodenbergbau beteiligt sind, den Dialog aufnehmen.“