20-06-2024 · SI Dilemmas

SI-Dilemma: Die richtigen (und falschen) Fragen über Sustainable Investing und Renditen

„Ist es möglich, nachhaltig zu investieren und dabei eine attraktive Rendite zu erwirtschaften“, werde ich oft gefragt, wenn ich mit Kundschaft oder meinem Freundeskreis spreche. So gesehen handelt es sich um ein Dilemma. Aber es ist die falsche Frage. Vielmehr sollten wir uns fragen, wie viel Risiko akzeptabel ist, um Rendite zu erzielen, und ob Kundschaft positive Effekte als wichtig erachten.

    Autoren/Autorinnen

  • Carola van Lamoen - Head of Sustainable Investing

    Carola van Lamoen

    Head of Sustainable Investing

Viele betrachten Sustainable Investing und Rendite als gegensätzlich, als ob sie einander ausschließen würden. Vom Kunden- oder Freundeskreis wird häufig gefragt, ob es wirklich möglich ist, beides zu realisieren. Das war auch die erste Frage, die mir gestellt wurde, als ich kürzlich einen Vortrag über Sustainable Investing an der Wirtschaftsuniversität Nyenrode hier in den Niederlanden hielt. Diese Frage wird schon seit Jahrzehnten gestellt, aber in letzter Zeit hat sich die Aufmerksamkeit verstärkt, da Sustainable Investing an Reife gewinnt und die politischen Kräfte in einigen Ländern (vor allem in den USA) den vermeintlichen Widerspruch zwischen nachhaltigen Investitionen und der Erzielung von Renditen in den Mittelpunkt rücken. Darüber hinaus verstärkt die jüngst schwache Performance von Aktien aus dem Bereich der erneuerbaren Energien und anderen Aktien, die mit nachhaltiger Entwicklung zu tun haben, die Bedenken.

Die richtige Frage

Zu fragen, ob Performance oder Sustainable Investing im Vordergrund stehen, ist die falsche Frage. Sie verursacht ein falsches Dilemma. Eine den Kundenerwartungen entsprechende Performance stellt eine Voraussetzung für jedes Anlageprodukt dar. Die angemessenere Frage ist also jene nach risikobereinigten Renditekriterien und wie das kundenseitige Risikobudget genutzt werden kann, um Nachhaltigkeitspräferenzen einzubeziehen.

Eine ausschließliche Konzentration auf finanzielle Renditen verkennt, dass auf Seiten vieler Anleger teilweise auch Risiken begrenzt und positive Effekte verstärkt werden sollen.

Zunächst geht es um die Frage der Bewertung der finanziellen Auswirkungen von Nachhaltigkeitsthemen. Die Faktoren Umwelt, Soziales und Governance (ESG) können für Unternehmen und Länder, in die wir investieren, Risiken und Chancen darstellen. Es ist unsere treuhänderische Pflicht, diese Aspekte im Rahmen des Anlageprozesses zu verstehen und unter die Lupe zu nehmen. Zweitens wollen die Anleger ihre Portfolios zunehmend auf positive Effekte ausrichten. Hier stehen wir nicht vor einem Dilemma, sondern müssen Optimierungen vornehmen: Wie lautet das Performanceziel eines Anlegers, wie viel Risikobereitschaft ist vorhanden, und wie viel Nachhaltigkeit sollten wir integrieren?

Hier stehen wir nicht vor einem Dilemma, sondern müssen Optimierungen vornehmen

Integration von Nachhaltigkeit schafft materiellen Mehrwert

Die ESG-Integration ist ein integraler Bestandteil unseres Anlageansatzes, wir können sie nicht ungeachtet lassen. Wir führen die ESG-Integration durch, weil wir dadurch besser informierte Anleger sind.Dies ist eine klare Anlageüberzeugung, bei der finanzielle Wesentlichkeit der Antrieb ist.

ESG-Faktoren können als „Frühwarnradar“ für Risiken dienen, die sich noch nicht in den Vermögenswerten widerspiegeln. Klima- und Übergangstrends können sich negativ auf künftige Renditen von Unternehmen auswirken und „gestrandete Vermögenswerte“ nach sich ziehen. Die Berücksichtigung finanziell wesentlicher ESG-Aspekte führt zu umfassenderen Beurteilungen und Bewertungen und damit auch zu einer frühzeitigen Erkennung von Anlagemöglichkeiten.

Unterstützt von engagierten Researchanalysten für Sustainable Investing integrieren die Portfoliomanager von Robeco ESG-Überlegungen in ihre Portfolioanalysen und Entscheidungsprozesse.

Ergebnisse der Research über Nachhaltigkeit

Es gibt dafür allerdings keine Standardlösung. Manchmal sind ESG-Aspekte für Anlageentscheidungen von entscheidender Bedeutung, manchmal sind sie irrelevant. Bei Unternehmensanleihen zum Beispiel zeigt die ESG-Analyse in etwa 25 % der Fälle versteckte Unternehmensrisiken auf, die die Anlageentscheidungen beeinflussen. Bei Aktien sind die Auswirkungen stärker, da mehr als 50 % der Fälle von ESG-Themen beeinflusst werden. Diese Ergebnisse sind angesichts des langfristigen Charakters von ESG-Analysen und der Tatsache, dass der Zeithorizont von Value-Aktien unbestimmt ist, sinnvoll. Unternehmensanleihen hingegen haben in der Regel einen kürzeren Zeithorizont.

Bei Unternehmensanleihen werden etwa 25 % der Fälle durch ESG-Analysen beeinflusst ... bei Aktien ist der Einfluss stärker

Die ESG-Integration ist in jede Phase unseres Anlageprozesses eingebettet, von der Zusammenstellung des Universums bis hin zur Aktienauswahl, wodurch es nicht einfach ist, die genauen Auswirkungen auf die Rendite zu ermitteln und zu bewerten. Dennoch hat eine kürzlich durchgeführte Analyse der ESG-Performance-Beiträge in der Strategie Sustainable Global Stars von Robeco ergeben, dass ESG langfristig positiv zur Anlageperformance beigetragen hat. Konkret haben wir festgestellt, dass ESG 23 % oder rund 90 Bp. der annualisierten Outperformance der Strategie von 384 Bp. im Zeitraum 2017-2023 erklärt. 1

Außerdem verdeutlicht interne Quantitative Research, dass bestimmte Nachhaltigkeitsaspekte wie Humankapitalmanagement und Ressourceneffizienz die Qualitätsfaktoren in unserem Modell tatsächlich erhöhen und das Alpha verbessern.

Portfolios auf positive Effekte ausrichten

Der Ausgangspunkt für die ESG-Integration ist die finanzielle Wesentlichkeit. Sie unterscheidet sich von der Bewertung der Effekte unserer Investitionen auf die Gesellschaft, bei der die Wesentlichkeit der Auswirkungen den Ausgangspunkt bildet. Anleger können sich aktiv dafür entscheiden, ihr Kapital in Unternehmen zu investieren, die positive Effekte erzielen, und sich von Unternehmen fernzuhalten, die (erheblichen) Schaden anrichten. Engagement und Abstimmungen können ebenfalls positive Veränderungen in den Unternehmen, in die investiert wird, bewirken.

Wenn man die Wesentlichkeit der Auswirkungen als Anlageperspektive verwendet, ist es nur natürlich zu fragen, welche Auswirkungen die Investitionen auf die Gesellschaft insgesamt haben. Dieser Ansatz hilft ihnen, sich besser auf die Zukunft vorzubereiten. Wir gehen davon aus, dass die Unternehmen für negative externe Effekte wie CO2-Emissionen und die Zerstörung der biologischen Vielfalt zahlen müssen, was bedeutet, dass sich dies auf lange Sicht finanziell auswirken wird. In diesem Fall ist es für Anleger von entscheidender Bedeutung, die möglichen Auswirkungen dieser Entscheidungen auf die Anlageergebnisse nachzuvollziehen.

Interne Untersuchungen haben zudem gezeigt, dass wir eine aktive Allokation in Unternehmen mit positiven Ergebnissen vornehmen können, und dabei ein ähnliches Risiko-Rendite-Profil beizubehalten.

Interne Untersuchungen haben zudem gezeigt, dass wir eine aktive Allokation in Unternehmen mit positiven Ergebnissen vornehmen können, und dabei ein ähnliches Risiko-Rendite-Profil beizubehalten

Aus unserer Research schließen wir unter anderem, dass die Integration von Nachhaltigkeitsaspekten als Anlagebeschränkungen auf lange Sicht zu Risiko/Rendite-Charakteristika und Diversifikationsvorteilen führen kann, die denjenigen von passiven kapitalisierungsgewichteten Indizes entsprechen. Das bedeutet, dass die Verringerung des CO-2Fußabdrucks und die SDG-Integration ohne Abstriche bei den finanziellen Zielen von Anlegern umsetzbar sind. 2

Das Team für Quantitatives Research von Robeco fand heraus, dass ein Portfolio mit Value-Aktien ohne Renditeeinbußen dekarbonisiert werden kann. Im Allgemeinen sind die Fußabdrücke in den Portfolios stark verzerrt. Der CO2-Fußabdruck eines Portfolios kann erheblich verkleinert werden, indem man sich einfach von einer kleinen Gruppe der CO2-intensivsten Unternehmen trennt.

Mehr Research ist erforderlich

Die Anlagebranche benötigt sicherlich mehr Research über den Zusammenhang zwischen Performance und verschiedenen Ansätzen des Sustainable Investing. Dies bleibt ein fester Bestandteil unserer Research-Agenda. Es ist auch spannend zu sehen, mit welchem Enthusiasmus das Thema wissenschaftlich behandelt wird. Unser Wunsch, zur laufenden Research beizutragen, ist einer der Gründe, warum wir der Öffentlichkeit Zugang zu unseren SDG-Bewertungen gewähren.

Wenn es um die Integration von Nachhaltigkeit und Anlageerfolgt geht, ist es wichtig, die richtigen Fragen zu stellen: Welche Nachhaltigkeitspräferenzen hat der Anleger, welche finanziellen Ziele verfolgt er, und wie können diese in geeigneter Weise kombiniert werden? Die Aufnahme von Nachhaltigkeitspräferenzen in eine Anlagestrategie unterscheidet sich nicht von der Aufnahme anderer institutioneller Präferenzen wie Region, Währung oder Liquidität. Sie sollte nicht anders behandelt werden.

Fußnoten

1 Quelle: FactSet. Kumulierte Zahlen, basierend auf Daten von Robeco EUR G Composite.
2 Indices Insights: Können passive Anleger Nachhaltigkeit integrieren ohne Abstriche bei Rendite oder Diversifikation?